Crystal Palace Dinosaurs: Alles wird besser

„Iguanodon“, Crystal Palace Dinosaurs. Copyright: Patalong

Seit ich im Frühjahr 2015 auf die Idee kam, den Crystal Palace Dinosaurs – das sind die  ältesten dreidimensionalen Darstellungen vergangenen Lebens weltweit – einen kleinen Guide in deutscher Sprache zu widmen, hat sich vor Ort im Süden Londons eine Menge getan.

Vor vier Jahren hat mich der Zustand des kleinen Skulpturenparks regelrecht empört: Die riesigen Beton-Monumente verfielen, die Inseln, auf denen sie stehen, wirkten vernachlässigt. Informationen für Besucher gab es kaum. Weder erfuhr man, was für wissenschaftshistorische Schätze man da eigentlich vor sich hat, noch etwas darüber, wie anders die Wissenschaft die dort dargestellten Tiere heute sieht.

Seitdem hat sich eine Menge getan. Ich war nicht der einzige, den der Zustand Anfang 2015 irritierte. Im Frühsommer 2015 gab es eine Reihe von Artikeln in prominenten Zeitungen, die BBC entdeckte das Thema für sich, und die Friends of Crystal Palace Dinosaurs – ein Club ehrenamtlicher Denkmalpfleger – bekamen plötzlich ungekannten Rückenwind.

Seitdem floss Geld in die fortlaufende Restaurierung der Statuen. Die Friends arbeiten daran, die Bepflanzung der Dinosaurier-Inseln mit zeitgerechter Flora zu verändern. Und seit Ende Januar ist auch klar, dass sie per Crowdfunding, Benefiz-Auktionen und sogar öffentlichen Mitteln das Geld für einen Brückenbau zusammenbekommen haben. Damit ist nicht nur gewährleistet, dass die Pflege der Monumente künftig leichter gelingt. Es wird – gegen Anmeldung und zu besonderen Anlässen – künftig auch regelmäßig geführte Touren über die Inseln geben.

Das beste an all dem ist aber, dass die Stadt London mit den Crystal Palace Dinosaurs eine ihrer einst größten Attraktionen im Wortsinn wiederentdeckt hat. 2015 fast vergessen werden die Dinosaurs heute in so gut wie jedem aktuellen London-Tourguide zumindest als „Geheimtipp“ gehandelt. Mich freut das tierisch.


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Anne Greene, Tabak-Klistiere und neue, kurze Formen…

Im Rahmen der Recherche zum „Viktorianischen Vibrator“ stolperte ich 2012 über Gerard van Swieten, Leibarzt von Maria Theresia von Österreich. Auf van Swietens Betreiben hatte Theresia 1769 verfügt, dass man zuerst versuchen solle, vermeintlich Tote wiederzubeleben, bevor man diese aufgab. Als Mittel zum Zweck diente das Tabak-Klistier, mit dem man dem vermeintlich oder tatsächlich Verstorbenen heißen Nikotindampf in den Darm blies, auf dass dieser sich regen solle, wenn denn noch Leben in ihm sei. Es war das erste Gesetz der Welt, dass Menschen dazu verpflichtete, Verunglückten oder Sterbenden Hilfe zu leisten – wenn auch aus heutiger Sicht auf ziemlich seltsame Weise.

Die skurrile Praxis fand bald überall in Europa Nachahmer. In mehreren Ländern wurden Kommunen dazu verpflichtet, Lebensrettungs-Gerät an den Ufern von Flüssen bereitzuhalten – auch hier waren natürlich Tabak-Klistiere gemeint.

Ins Buch hat es diese vermeintliche Absurdität leider nicht mehr geschafft, aber ich habe das Thema immer wieder einmal aufgenommen und für mich nach und nach vervollständigt.

Einen Aspekt dieser Geschichte – die Massenhysterie der Taphephobie, der Angst vor dem lebendig Begrabenwerden und die skurillen Mittel dagegen – schrieb ich im April letzten Jahres für Einestages auf.

Auf den Ursprung des Irrglaubens, dass heißer Tabakdampf im Hintern Tote wecken könne, kam ich kurz darauf: Von Anne Greene, der angeblich ersten aktenkundigen Wiederbelebten der Medizingeschichte, hatte ich zwar schon gelesen. Ihre ganze Geschichte erschloss sich mir aber erst, nachdem ich ein digitalisiertes Exemplar eines der zwei Originalberichte über den Fall in die Hände bekam.

Es ist die äußerst zynische Geschichte eines Beinahe-Justizmordes: Eine junge Frau wird erhängt, weil sie nach dem Missbrauch durch einen ihrer adligen Arbeitgeber schwanger wird. Sie aber überlebt die Tortur und gesundet wieder – wohl wegen der Behandlung mit einem Tabak-Klistier, glaubte man 1650 und die folgenden 150 Jahre darauf.

Titelseite eines zeitgenössischen Berichtes über die Exekution der Anne Greene. Copyright: gemeinfrei

Was die Geschichte interessant macht, ist der Zeitkontext und die ungewöhnlichen Nachwirkungen des Falls. Ich habe sie aufgeschrieben, viel zu ausführlich für einen Artikel und viel zu kurz für ein reguläres Buch: 52 Seiten hat das kleine Ding. Ich starte damit einen zweiten Versuchsballon in Sachen Self-Publishing: Eine kurze Form, die „eine Stunde Lesestoff“ bietet. Ich habe sie „Shorts“ genannt.

Als Ebook ist das Ganze für 99 Cent über alle gängigen Ebook-Vertriebskanäle zu haben. Gemeint ist das Format wirklich vornehmlich als Ebook, aber wer will, kann das Ganze auch für 3,49 Euro als gedrucktes Mini-Büchlein haben. Hätte ich gern billiger gemacht, aber hier diktieren die Druckkosten den Preis. Ich bin gespannt, ob so ein Format angenommen wird!

 

Hier die Daten:

Frank Patalong: „Untot – Exekution und Auferstehung der Anne Greene“. ISBN: 978-3748150510. Ebook 1,49, 52-Seiten-Büchlein 3,49 Euro. Überall bestellbar. Den BOD-Shop (portofreie Bestellung, siehe oben) habe ich eingefügt (hier auch nochmal gedruckt, wer das vorzieht). Bei Amazon findet man es hier, bei Thalia hier, bei Buecher.de hinter diesem Link.

Scheintod: Ein bisschen schwanger…

Vier Jahre nach dem Viktorianischen Vibrator gehe ich ein bisschen schwanger mit einer weiteren Idee für eine Kuriosa-Sammlung aus der frühen Phase der Technologisierung/Verwissenschaftlichung der Welt. Der kleine Scheintod-Artikel, den Einestages heute brachte, deutet an, in welche Richtung das gehen könnte.

Antoine Joseph Wiertz: L’inhumation précipitée (1854). Copyright: Gemeinfrei

Keine Ahnung, ob das Leser finden würde. Ich finde diese makabren Sachen urkomisch. Wann kann man schon mal solche Sätze schreiben?

„Belebte man nicht Ertrunkene wieder, indem man sie bäuchlings aufs trabende Pferd gebunden durchschüttelte, bevor man ihren Darm per Klistier mit heilsamen Nikotindampf füllte? Und erwies sich in alldem nicht immer wieder, dass viele Zustände des menschlichen Körpers mit Mitteln der modernen Wissenschaft zu ändern waren?“

Jede Menge Holz am Himmel

Heute hat Einestages eine Geschichte von mir über Holz als Baumaterial im Flugzeugbau des Zweiten Weltkriegs veröffentlicht. Klingt aberwitzig, war aber so: Ein Großteil vor allem der deutschen, britischen und russischen Flieger setzten auf Holz als wichtiges Material.

Ich hatte für den Artikel eine Liste der wichtigsten Flieger zusammengestellt, bei denen tragende Teile aus Holz gefertigt waren – vor allem Rümpfe und Flügel. Einestages konnte das Ding wegen eines technischen Problems nicht mitnehmen – ich habe sie unten an diesen Blogpost angehängt. Was ich selbst völlig verblüffend fand, war dass gerade viele der ikonischen, als Hightech der Kriegsjahre bekannten Flieger hölzern waren – darunter fünf der acht in Nazideutschland entwickelten Düsen- und Raketenflugzeuge. Es war nicht alles Metall, was glänzte.

Messerschmidt Me 163: Das Raketenflugzeug war bis 1953 der schnellste Flieger der Welt - und in maßgeblichen Teilen aus Sperrholz gefertigt. Copyright: USAF
Messerschmidt Me 163: Das Raketenflugzeug war bis 1953 der schnellste Flieger der Welt – und in maßgeblichen Teilen aus Sperrholz gefertigt. Copyright: USAF

 

Ich glaube nicht, dass es sonst eine so umfangreiche Zusammenstellung nach diesem Kriterium (Baustoff Holz) gibt. Vollständig ist sie aber wahrscheinlich trotzdem nicht, man muss sich das ziemlich mühselig zusammensuchen und das eine oder andere Modell habe ich möglicherweise übersehen. Holzflieger gab es natürlich auch in anderen Luftflotten als den hier aufgeführten, aber oft waren das auch technologisch alte Schätzchen, Überbleibsel aus dem Ersten Weltkrieg – sowas habe ich weitgehend ignoriert. Ignoriert habe ich auch all die Flugzeuge, die hier und da Bauteile aus Holz einsetzten, die aber für die Stabilität der Maschine keine große Rolle spielten. Und Rotoren – denn wenn man die mit hineinnehmen würde, könnte man auch die Flieger herausstreichen, die über Metallpropeller verfügten: das waren warscheinlich weniger.

Also: „Holzflieger“ sind in meiner Definition solche, bei denen maßgebliche Bauteile aus Holz waren (Rumpf, Flügel). Hier ist die Liste: Wer Spaß daran hat und sie weiterführen möchte, kopiere sie einfach und schreibe sie fort.

Flugzeuge des Zweiten Weltkriegs, bei deren Konstruktion Holz ein maßgeblicher Baustoff war (wichtigste Typen)

Jeweils: Typ – Einsatzzweck – Baujahre – gebaute Stückzahl

Deutschland

Arado Ar 396: Schulflugzeug, 1945-50, ca. 130 Stück

Bachem Ba 349: Raketenflugzeug, 1944-45, ca. 30 Prototypen

DFS 230: Lastensegler, 1939-44, 1603 Stück

Fieseler Fi 156: Kurierflieger, 1936-49, 2867 Stück

Focke-Wulf Fw 56: Schulflugzeug, 1933-36, ca. 510 Stück

Focke-Wulf Ta 154: Mehrzweckflugzeug, 1943-44, unter 50 Stück

Gotha Go 145: Schulflugzeug, 1936-40, 1182 Stück

Gotha Go 242: Lastensegler, 1941-44, 1481 Stück

Gotha Go 244: Transportflugzeug, 1942, 233 Stück

Heinkel He 162: Jagdflugzeug (Düsenjet), 1944-45, ca. 170 Stück

Heinkel He 51: Jagdflugzeug, 1934-37, ca. 230 Stück

Heinkel He 60: See-Aufkläer, 1932-38, 361 Stück

Henschel HS 132: Sturzkampfbomber (Düsenjet), 1945, ein Prototyp

Horten H IX: Nurflügler (Düsenjäger), 1944-45, drei Prototypen

Junkers Ju 322: Lastensegler, 1941, nur zwei Prototypen

Messerschmitt Me 163B und 163C: Abfangjäger (Raketenantrieb), 1944, über 350 Stück

Siebel Si 204 D3: Transportflugzeug, 1944, 64 Stück

Japan

Kokusai Ki-105: Transporter, 1945, 10 Prototypen

Kyushu K11W2: U-Bootjäger, Stückzahl unbekannt, aber gering

Kyushu Ki-106: Jagdflugzeug, 1944, ein Prototyp

Nakajima Ki-84 II: Jagdflugzeug, 1943-45, genaue Stückzahl Holzversion unbekannt, aber vierstellig

Nakajima L2D5: Transporter (Lizenzbau der Douglas DC-3), Holzversion geringe Stückzahl

Yokosuka MXY-9: Schulungsflugzeug, 1945, ein Prototyp

 

Großbritannien

Airspeed AS 39: Aufklärer, 1940, nur ein Prototyp

Airspeed AS 45: Schulflugzeug, 1942, zwei Prototypen

Airspeed Horsa: Lastensegler, 1941-45, ca. 3800 Stück

Airspeed Oxford: Schulflugzeug, 1937-45, 8586 Stück

Armstrong Whitworth Albemarle: Bomber, 1941-45, 602 Stück

Avro Anson MK V und VI: Mehrzweckflugzeug, Holzversion ab ca. 1942, 1050 Stück

de Havilland Mosquito: Mehrzweckflugzeug, 1940-50, 7781 Stück

General Aircraft Hamilcar: Lastensegler, 1942-46, ca. 410 Stück

Hawker Hurricane: Jäger, 1937-1944, 14.533 Stück

Miles M.20: Jäger, 1940, ein Prototyp

Supermarine Walrus Mark II: Flugboot, 1940-44, 191 Stück

 

USA/Kanada

Curtiss C-76 Caravan: Transporter, Holzversion nur 1940, zwei Stück

Noorduyn Norseman:  Wasserflugzeug, 1935-59, 918 Stück

Waco CG-4A: Lastensegler, 1942-45, 13.900 Stück

 

Russland

Antonow A-7: Lastensegler, 1941, ca 400 Stück

Gribowski G-11: Lastensegler, 1941-42, ca. 600 Stück

Gribowski G-29: Lastensegler, 1942, ca. 300 Stück

Gribowski G-30: motorisierte Version der 29, 1942, nur Prototypen

Iljuschin Il-4: Bomber, 1940-44, 5256 Stück

Jakowlew Jak-1: Jagdflugzeug, 1940-43, 8721 Stück

Jakowlew Jak-4: Bomber, 1939-40, ca. 600 Stück

Jakowlew Jak-6: Bomber, 1942, 381 Stück

Jakowlew Jak-7: Jagdflugzeug, 1941-44, 6399 Stück

Jakowlew UT-2: Schulflugzeug, 1938-48, 7243 Stück

Lawotschkin La-5: Jagdflugzeug, 1942, ca. 10.000 Stück

Lawotschkin La-7: Jagdflugzeug, 1944, 5753 Stück

Lawotschkin LaGG-3: Jagdflugzeug, 1941-44, 6528 Stück

Polikarpow I-153: Jagdflugzeug, 1939-41, 3437 Stück

Polikarpow I-16: Jagdflugzeug, 1934-43, 8643 Stück

Polikarpow Po-2: Mehrzweckflugzeug, 1928-54, ca. 40.000 Stück

Polikarpow R-5: Mehrzweckflugzeug, 1931-37, ca. 7000 Stück

Schtscherbakow Schtsche-2: Transporter, 1943-46, 550 Stück