Das unten eingebundene Feature wurde eigentlich für einen öffentlich-rechtlichen Sender produziert, aber als „zu religionskritisch“ abgelehnt. Das ist so bedauerlich wie typisch für unseren Staatsfunk mit Kirchenbeteiligung. Das Feature ist durch und durch hörenswert.
Für immer Vorgestrig: Wir wollen unseren alten Kaiser Wilhelm …

Vor ein paar Jahren teilte ich mir mal ein Zugabteil von Hannover nach Köln mit einer uralten Dame und einem dicklichen Polizisten mittleren Alters. Der Zug war mächtig verspätet, und machte dann wegen einer technischen Panne auch nochmal Pause. Wir hatten also viel Gelegenheit zum Kennenlernen.
Die alte Dame erzählte sehr lebendig und interessant aus ihrem Leben. Kriegsgeneration, buntcheckiger Lebenslauf. Kinder, mehrere Berufe, Vertreibung, das volle Programm. Gebildet und nicht unzufrieden – außer mit dem aktuellen Status Quo, vor allem in der Politik.
Denn genau wie der Polizist, der auf dem Weg zum Dienst am Flughafen Köln-Bonn war, hielt sie nicht viel von der Demokratie. „Am besten“, sagte der Beamte dann irgendwann, „wäre es doch, wenn wir wieder einen Kaiser hätten.“
Als ich ihn daraufhin neckend, aber korrekt mit „Verteidiger unserer Verfassung“ ansprach, fühlte er sich verarscht. Verärgern wollte ich ihn aber auch nicht, denn eigentlich schien der Mann zwar etwas einfach gestrickt, aber harmlos. Deshalb schickte ich schnell hinterher: „Könnte man ja so sehen, wenn Monarchen immer weise, liebe alte Herren mit Bart wären, die nur das Wohl der Bevölkerung im Auge haben und nie, nie etwas Böses tun. Nur leider kann ich die nirgendwo entdecken. Nicht in der Welt, und nicht in der Geschichte.“
Naja, meinten meine beiden Zwangs-Reisegenossen und wackelten seitlich mit den Köpfen, naja.
Ich hatte ab da verschissen, während sie weiter angeregt miteinander plauderten. Vielleicht leben sie heute miteinander und natürlich glücklich bis ans Ende ihrer Tage irgendwo zwischen Hannover und Köln. In froher Erwartung der Wiedereinführung der Monarchie schauen sie jeden Abend „Exclusiv/Prominent“ (Achtung: Verwechslungsgefahr: geklontes Format, geklonte Moderatorin) mit Frauke Ludewig/Constanze Rick („Welcher Promi noch versehentlich seinen Bauchnabel gezeigt hat, sehen Sie in unseren Top 10 nach den Nachrichten!“). Natürlich haben sie das Goldene Blatt, Frau im Spiegel und Bild der Frau abonniert. Ich würde es ihnen gönnen.
Denn natürlich ist dieses Monarchie- und Adels-Gedöns eine vergleichsweise harmlose Variante der undemokratischen Wirklichkeitsverweigerung. Meistens ist sie sogar gänzlich unpolitisch und erinnert in vielen Aspekten eher an eine Art Religion, in der an bizarren Titeln und Namensfortsätzen zu erkennende „Adelige“ als Sonderklasse des Homo sapiens als quasi Unberührbare durch die Welt schweben und uns Menschen zwar begegnen, selbst aber nicht als normale Menschen behandelt werden dürfen.
Tatsächlich ist für sie offenbar per Geburtsrecht ein ganz eigener Satz von sozialen Verhaltensregeln sprachlicher wie körpersprachlicher Art vorbehalten: Verneigen und langsame Bewegungen gehören dazu. Und natürlich die absolut wichtigste Regel: Gucken darf man, aber bloß nicht anfassen!
Im Gegenzug dürfen auch Adelige dann ganz normale Dinge nicht, wie zum Beispiel Rumpöbeln, an Messehallen pinkeln, pleite sein, mit bizarren, oft Brust- und Lippen-operierten F-Promis techtelmechteln und so weiter. Wenn sie es doch tun, kommen sie zur Strafe bei Frauke Ludewig in die Top 10 statt weiter vorn in die Sendung, wo ihre sich besser benehmenden Mitadeligen in den Genuss täglicher Götzenanbetung kommen.
Und das alles ist tatsächlich eine Massenbewegung. Sie begegnet uns nicht nur in Form dieser voll fiktiven Boulevardmedien, die ihre Recherchen vornehmlich telepathisch im Kopf irgendwelcher Prinzessinen und Prinzen vornehmen („Was denkt Herzogin Kate?“). Nein, auch wir ganz normalen Medienmacher im Mainstream der nachrichtlichen Information kommen nicht daran vorbei.
Derzeitiger Darling im Pantheon der adeligen Übermenschen ist Ihre königliche Hoheit Catherine Elizabeth, Duchess of Cambridge, Countess of Strathearn, Baroness Carrickfergus, die eigentlich dem Geldadel entstammt und weit profaner als Catherine Elizabeth, genannt Kate Middleton geboren wurde. Seit die schmucke Kate aber ihrem William (Ha! Ein Wilhelm! Und dann auch noch mit ihm verwandt!) zur Seite steht und ihr Geld vornehmlich mit Winken und Kinderkriegen verdient, ist sie so etwas wie die designierte Ober-Adelige aller Klassen, sollte sich ihre Schwieger-Großmutter wider Erwarten doch einmal als sterblich erweisen.
Wie auch immer: Alles, was Kate tut, ist eine Nachricht. Und zwar eine harte, wichtige, populäre.
In der letzten Woche zum Beispiel tat sie folgendes: Sie zuckte nicht, als irgendein Basket-Ball-Star ihr doch glatt die Hand auf die Schulter legte.
DIE HAND!
AUF DIE SCHULTER!
Wahnsinn. Sie erinnern sich an die Regel?
Gucken ja, aber nicht anfassen!
Frauke Ludewig war aus dem Häuschen. Und jetzt das: Bei einem weiteren Benefiz-Termin, bei dem Kate für die Kameras gemeinnützige Arbeit vortäuschen musste, wurde sie doch glatt von einer Vorarbeiterin angeranzt, schneller zu sein und bei der Sache zu bleiben. So als ob man von einer Adeligen erwarten dürfe, dass sie ARBEITET.
Und was tat Kate?
Sie rollte mit den Augen!
Ich weiß, ich weiß: Wahnsinn!
Eine Reaktion wie bei einem Menschen!
Kein Wunder, dass der „Guardian“, sonst eher als intelligent und links bekannt, begeistert twitternd kommentierte, das sei „das sympathischste, was sie seit Langem gemacht hat. Mehr davon!“.
Ein guter Vorschlag. Vielleicht ließen sich die royalen Pflichten neben Rumreisen, Winken, Schreiten und Lächeln ja wirklich noch um Augenrollen erweitern. Und nicht nur die ganze Briten-Presse feierte, wie quasi menschlich ihre kommende Ober-Adelige die unverzeihlichen Affronts im Land der adelslosen Barbaren (Ach, Amerika!) souverän mit Regungslosigkeit respektive Augenrollen quittiert hatte.
Auch hier in Deutschland, wo man sich formell am 11. August 1919 vom Adel verabschiedete, gab es kein Thema, das die Menschen mehr interessiert hätte.
Im Ernst: Die Welt brennt, der IS mordet, die rechten Rattenfänger von Pegida heizen den Fremdenhass an, Flüchtlingsheime brennen, Bayern wird Herbstmeister – und statt all dieser Katastrophen sind die meisten Leser vor allem an einem interessiert – Kates Augenrollen. Am Samstagnachmittag rückte die Meldung über diese ungewöhnliche Tätigkeit auf Platz 1 der meistgelesenen Artikel bei Spiegel Online.
Vielleicht ist ja doch noch Hoffnung, liebe Mitreisende. Andererseits: ich hoffe nicht.
Mission bizarr: Zweck heiligt Mittel?
Oft verblüfft mich die schiere Blödheit der Argumente, mit denen vor allem amerikanische Kreationisten sich für ihre Form des fundamentalistischen Christentums und gegen jede Aufklärung und wissenschaftliche Erkenntnis einsetzen. Ich staune dann und frage mich, ob die ihren Kram wirklich selbst glauben. Können Menschen, intelligente Produkte eines über Millionen Jahre laufenden evolutionären Prozesses, wirklich so dumm sein?
Da ist es schon fast eine Erleichterung, wenn man über Dinge stolpert, die klar zeigen, dass dem nicht so ist. Manchmal sind diese Missionare einfach nur skrupellos und bereit, jeden Mist zu verzapfen, solange er nur ihrer Sache dient.
Im folgenden Video wird ernsthaft behauptet, die Tatsache, dass aus der (Bio-) Masse der Millionen von Gläsern Erdnussbutter keine neue Lebensformen entstünden, widerlege das Prinzip der Evolution. Willkommen im christlichen Gagaland:
Erdnussbutter als Ursuppe des Lebens?
Das Zeug schmeckt noch nicht mal.
Und nein, das Ganze ist leider kein Scherz, keine Parodie.
Der Clip stammt aus „A Question of Origins“, einer 1998 produzierten kreationistischen „Dokumentation“. Das Machwerk wird bis heute verkauft, in acht Sprachversionen.
Wenn man sich das Video ansieht, kommt man zu dem Schluss, dass hier der missionierende Zweck die Mittel heiligt. Es ist den Verbreitern dieser „Informationen“ offensichtlich völlig egal, dass diese total schwachsinnig sind. Hauptsache, die missionarische Botschaft bleibt kleben. Was bei Erdnussbutter ja nicht unwahrscheinlich wäre.
Humanismus: Haben und Sein
Mitunter finde ich es ermüdend, über Humanismus und Atheismus zu lesen, schreiben, reden, diskutieren. Zu oft habe ich das Gefühl, ich müsste eine Form von Mangel rechtfertigen. Der Religiöse ist etwas, der Humanist nicht. Der Gläubige hat etwas, der Atheist nicht.
Es ist, als ginge es bei Humanisten oder Atheisten um ein Fehlen von Glaube, Religiösität, Werteorientierung oder Kultur. Entsprechend gerät die Argumentation vieler Humanisten zu oft verteidigend, aggressiv antireligiös, rechtfertigend oder besserwisserisch.
Wie unnötig das ist, zeigt in diesem Video der British Humanist Association souverän der Schauspieler und Autor Stephen Fry.
So muss das sein. Nicht nur gegen andere nörgeln und sich über den Gegensatz zu etwas definieren lassen, sondern demonstrieren und kommunizieren, was man ist und zu bieten hat: Ein reiches, reifes, einsichtsvolles, die Welt wirklich erklärendes und erschließendes, echte Toleranz und soziales Zusammenleben ermöglichendes Wertesystem, das den Blick auf die Realität nicht einengt, sondern erweitert.
Das ist das Gegenteil von Mangel, es ist erstrebenswert.