Für Naivlinge wie mich hat sie wenig Zeit.
„Montag“ ist DHL-Deutsch für Dienstag. Oder so.
Für Naivlinge wie mich hat sie wenig Zeit.
Journalist & Autor
Es ist die Königsdisziplin des Marketings, alten Wein in neuen Schläuchen zu verkaufen. Wer es dann noch schafft, die Profite damit in ungekannte Höhen zu treiben, gilt als Wizzard.
Meist erfahren wir normalen Sterblichen gar nicht, wer für solche Geniestreiche verantwortlich ist. Dabei hätten die es echt verdient, in eine Hall of Shame aufgenommen zu werden. Zum Beispiel
Vorgestern habe ich eine Fernsehwerbung gesehen, bei der ich fast lachend hintenüberfiel: Die warben tatsächlich für Festshampoo.
Muss man sich mal vorstellen: Statt in flüssiger Form wird dieses pflegende Reinigungsmittel in Form eines geschmeidigen Blocks verkauft. Natürlich gibt es das auch für die Hautreinigung und Pflege. Das Tolle daran: Es ist in Papier verpackt statt in Plastik, und das, suggeriert die Werbung, schone natürlich die Umwelt ganz enorm.
Das finde ich tatsächlich gut.
Dass diese Innovation ihren Preis hat, ist natürlich auch klar: Der umgerechnete 1000-Gramm-Preis für solche Fest-Pflegestoffe liegt typischerweise bei 60 bis 80 Euro. Verkauft wird das in Blöcken ab 40 Gramm, 60 Gramm ist häufiger – man landet bei den meisten Marken dann bei fünf bis acht Euro.
Was die Sache dann – analog zum Wasch-Pod – wieder zur Körperpflege für Doofe macht. Denn neu ist am „Fest-Shampoo“ natürlich absolut überhaupt nichts: Ältere Semester nennen das richtigerweise schlicht und ergreifend „Seife“.
Da liegt der Kilopreis für Markenware übrigens bei sechs bis acht Euro, also bei einem Zehntel oder weniger als für die neuen Marketing-Ausgeburten der „Fest-Pflegemittel“.
Waschen für Doofe: das hat natürlich seinen Preis.
Zu den amüsanten Seiten des Redakteurslebens gehören die ganzen Irren, Schwurbler und verirrten Seelen, die einen täglich mit Leserbriefen eindecken. „Täglich“ meine ich hier wörtlich: Ich hatte mal einen an der Hacke, der mir an manchen Tagen nicht einen, sondern ein Dutzend Emails schickte, und das über Jahre. Alles rechtsextremes, komplett hirnfreies Zeug aus dubiosen Quellen. Wenn der mal nicht schrieb, wurde ich nach ein paar Tagen nervös: Der Herr U. wird doch nicht krank sein?
War er wohl mitunter: eingewiesen.
Irgendwann ging ich hin und recherchierte ihm hinterher, weil mir das alles zu krass wurde. Nach kurzer Zeit hatte ich ihn identifiziert: Er war damals 64, seit Jahrzehnten arbeitslos und wohnte im Dachgeschoss des Hauses seiner greisen Mutter in einer sehr, sehr kleinbürgerlichen Vorstadt. Ärger wich Mitleid: der Mann brauchte kein Outing, sondern Hilfe, wenn auch nicht meine. Ich setzte einen Spam-Filter für seine Mails und ließ ihn weiterschreiben. Irgendwann verstummte er.
Aktuell schreibt mir gern Herr P., der Telegram und Achgut für seriöse Nachrichtenquellen hält und gern prominenten Zeitgenossen frei erfundene Zitate unterschiebt: Futter für Schwachsinns-Postings bei Facebook, Twitter und Co..
Auch P. ist stets bestens informiert über all die Nachrichten, von denen kaum ein geistig gesunder Mensch etwas mitbekommt. Was natürlich Resultat einer Verschwörung der Lügenpresse ist, an der auch ich mieser, ferngesteuerter Schreiberling beteiligt bin.
Wie verzweifelt manche in diesem rechtslastigen Lager gerade sind, zeigen seine letzten Mails. Heute warnte er mich (und die Hälfte aller Redakteure im Land) vor Annalena Baerbock. Das ist erst einmal nicht verwunderlich, der Grund für die Warnung hingegen schon:
„Viele Wähler sind sich nicht der Folgen bewußt, wenn Frau Annalena Baerbock Bundeskanzlerin werden würde. Sie würde voraussichtlich die rechtswidrige Politik der Angela Merkel fortsetzen.“
Ist das nun perfide oder was?
Herr P., wie ist denn das gemeint? Soll das Wahlhilfe für Baerbock sein? Wenn sich das rumspricht, hat Laschet ja keine Chance mehr!
Und wenn zudem bekannt wird, dass jetzt schon NPD-Sympathisanten Wahlwerbung für die Grünen machen, könnte das sogar die AfD Stimmen kosten.
Ich muss zugeben: ich bin verwirrt. Aber das wussten Sie ja schon.
Bei Amazon gibt es neben den allgemeinen Verkaufscharts beliebig viele Nischen-Charts, was potenziell jedes Buch zum Bestseller adelt.
In den Top 100 der „Vögel“-Charts steht heute das „Das große Buch der Hühnerhaltung im eigenen Garten: Pflege, Haltung, Rassen“. Glaube ich unbesehen: In Covidzeiten ist Hühnerhaltung allemal populärer als – sagen wir mal – Wellensittich-Zucht. Schön, dass die feine Segmentierung der Verkaufsstatistik einem offenbar guten Buch so die Chance gibt, auch wahrgenommen zu werden.
Für mich bleiben dabei nur zwei kleine Fragen offen:
Man weiß es nicht.
Man weiß es einfach nicht.
P.S.: Auf Quellenrecherche für einen historischen Artikel bin ich jetzt darauf gestoßen, warum mir die Hühnerhaltung als Buch von Interesse angeboten wird: Der Titel steht auch auf Platz 2 der Amazon-Charts „Geschichte allgemein“. Man sieht: in der Welt der künstlichen Intelligenz gibt es für alles eine Erklärung. Wenn auch nicht immer eine gute.