Alltag auf einem Supermarkt-Parkplatz: Blödiane schrappen Kratzer in den schönen neuen Lack, verbeulen mit ihren überladenen Einkaufswagen das Blech oder hauen beim Türöffnen gleich noch eine satte Delle in den Nachbarwagen. Ist uns alles schon passiert.
Wer so etwas vermeiden will, parkt sein schmuckes Auto einfach so, dass die Wahrscheinlichkeit solcher Unfälle effektiv minimiert wird. Alles, was man dafür sicherstellen muss, ist genügend viel Sicherheitsabstand in alle Richtungen. Alles, was man dafür braucht, ist eine Extraportion Ich.
Aber vielleicht denke ich hier wieder nur zu schlecht von meinen lieben Mitbürgern. Vielleicht war der Fahrer dieses Vehikels gar nicht egoistisch und asozial, sondern einfach nur unfähig oder besoffen? Man weiß es nicht.
Heute hat Einestages eine Geschichte von mir über Holz als Baumaterial im Flugzeugbau des Zweiten Weltkriegs veröffentlicht. Klingt aberwitzig, war aber so: Ein Großteil vor allem der deutschen, britischen und russischen Flieger setzten auf Holz als wichtiges Material.
Ich hatte für den Artikel eine Liste der wichtigsten Flieger zusammengestellt, bei denen tragende Teile aus Holz gefertigt waren – vor allem Rümpfe und Flügel. Einestages konnte das Ding wegen eines technischen Problems nicht mitnehmen – ich habe sie unten an diesen Blogpost angehängt. Was ich selbst völlig verblüffend fand, war dass gerade viele der ikonischen, als Hightech der Kriegsjahre bekannten Flieger hölzern waren – darunter fünf der acht in Nazideutschland entwickelten Düsen- und Raketenflugzeuge. Es war nicht alles Metall, was glänzte.
Messerschmidt Me 163: Das Raketenflugzeug war bis 1953 der schnellste Flieger der Welt – und in maßgeblichen Teilen aus Sperrholz gefertigt. Copyright: USAF
Ich glaube nicht, dass es sonst eine so umfangreiche Zusammenstellung nach diesem Kriterium (Baustoff Holz) gibt. Vollständig ist sie aber wahrscheinlich trotzdem nicht, man muss sich das ziemlich mühselig zusammensuchen und das eine oder andere Modell habe ich möglicherweise übersehen. Holzflieger gab es natürlich auch in anderen Luftflotten als den hier aufgeführten, aber oft waren das auch technologisch alte Schätzchen, Überbleibsel aus dem Ersten Weltkrieg – sowas habe ich weitgehend ignoriert. Ignoriert habe ich auch all die Flugzeuge, die hier und da Bauteile aus Holz einsetzten, die aber für die Stabilität der Maschine keine große Rolle spielten. Und Rotoren – denn wenn man die mit hineinnehmen würde, könnte man auch die Flieger herausstreichen, die über Metallpropeller verfügten: das waren warscheinlich weniger.
Also: „Holzflieger“ sind in meiner Definition solche, bei denen maßgebliche Bauteile aus Holz waren (Rumpf, Flügel). Hier ist die Liste: Wer Spaß daran hat und sie weiterführen möchte, kopiere sie einfach und schreibe sie fort.
Flugzeuge des Zweiten Weltkriegs, bei deren Konstruktion Holz ein maßgeblicher Baustoff war (wichtigste Typen)
Jeweils: Typ – Einsatzzweck – Baujahre – gebaute Stückzahl
Deutschland
Arado Ar 396: Schulflugzeug, 1945-50, ca. 130 Stück
Bachem Ba 349: Raketenflugzeug, 1944-45, ca. 30 Prototypen
DFS 230: Lastensegler, 1939-44, 1603 Stück
Fieseler Fi 156: Kurierflieger, 1936-49, 2867 Stück
Focke-Wulf Fw 56: Schulflugzeug, 1933-36, ca. 510 Stück
Focke-Wulf Ta 154: Mehrzweckflugzeug, 1943-44, unter 50 Stück
Gotha Go 145: Schulflugzeug, 1936-40, 1182 Stück
Gotha Go 242: Lastensegler, 1941-44, 1481 Stück
Gotha Go 244: Transportflugzeug, 1942, 233 Stück
Heinkel He 162: Jagdflugzeug (Düsenjet), 1944-45, ca. 170 Stück
Heinkel He 51: Jagdflugzeug, 1934-37, ca. 230 Stück
Heinkel He 60: See-Aufkläer, 1932-38, 361 Stück
Henschel HS 132: Sturzkampfbomber (Düsenjet), 1945, ein Prototyp
Horten H IX: Nurflügler (Düsenjäger), 1944-45, drei Prototypen
Junkers Ju 322: Lastensegler, 1941, nur zwei Prototypen
Messerschmitt Me 163B und 163C: Abfangjäger (Raketenantrieb), 1944, über 350 Stück
Siebel Si 204 D3: Transportflugzeug, 1944, 64 Stück
Japan
Kokusai Ki-105: Transporter, 1945, 10 Prototypen
Kyushu K11W2: U-Bootjäger, Stückzahl unbekannt, aber gering
Während der Recherche machte ich eine seltsame Beobachtung. Mein Ansatz war, nach Berichten von Ersterfahrungen mit dem Flieger zu suchen. Dafür stöberte ich in deutschsprachigen Zeitungsarchiven. Am Ende landete ich stattdessen in Australien.
Der Grund: In deutschsprachigen Zeitungen der Jahre 1935-1939 fand ich AUSSCHLIESSLICH knappe Wirtschaftsmeldungen („Firma XYZ kauft zwei“, „Arbeiter bei Douglas streiken“) – oder Katastrophenmeldungen, und die mit Genuss und in Masse: Douglas zerschellt an Berg, DC3 stürzt ab usw. etc..
Ab 1939 gab es stattdessen Abschuss-Meldungen. Gesucht hatte ich in deutschen, österreichischen und schweizer Zeitungen, merkliche Unterschiede fand ich nicht. Ich fand keine einzige Reportage, keinen Augenzeugenbericht und noch nicht einmal einen einzigen Artikel, der sich auch nur sachlich mit den Eckdaten des neuen, für seine Zeit revolutionären Fliegers beschäftigt hätte.
In der englischsprachigen Welt (auch außerhalb Amerikas) stattdessen ein ganz anderes Bild: Die Medien dort waren kreuz und quer durch den Sprachraum voller Vorberichterstattung, Reportagen über das neue Flugzeug, Meldungen über seine Pionierleistungen.
Und Australien schoss hier den Vogel ab. Dort berichteten die Medien regelmäßig ab 1935, obwohl die erste Maschine erst 1937 geliefert wurde. Man findet da ernsthaft Schlagzeilen wie „Noch drei Monate bis Superflugzeug kommt“. Das ging so weit, dass die Australier „ihre“ ersten DC-3 in der Berichterstattung personalisierten: Statt Flugnummern berichteten sie über die Flieger anhand derer „Taufnamen“ – so, wie man über große Schiffe berichtet. Für Australien war die Einführung solcher Passagierflieger offensichtlich eine revolutionäre Sache.
Im deutschsprachigen Teil Europas waren die Flugziele im Vergleich weniger isoliert voneinander – man kam ja auch per Zug relativ mühelos von A nach B. Zudem gab es eine kleine, aber bereits gut funktionierende zivile Luftfahrtbranche, ergänzt durch Interkontinental-Services per Zeppelin. An deren kurzen Vormachtstellung kratzten die neuen Passagierflugzeuge natürlich kräftig.
Trotzdem: Ich bin mir nicht ganz sicher, ob der in der Berichterstattung fühlbare Unterschied in der Grundhaltung nur aus Konkurrenzdenken zu erklären ist, die Produkte der US-Flugindustrie also generell als „Marktgegner“ thematisiert wurden, oder ob sich darin nicht eher eine generell skeptische Fokussierung zeigt, wenn es um Technik und Innovation geht. Heute ist das einwandfrei so, aber auch schon 1935?
Andere Länder, andere Sitten, heißt es, aber heute ist das meist gelogen. Die Globalisierung hat dafür gesorgt, das vom Warenangebot über die Musik bis zum Fernsehen weltweit weitgehend Einheitsbrei herrscht. Draußen auf der Straße allerdings gibt es noch kleine bis mittlere Kulturschocks. In der DomRep bietet die vor allem der Straßenverkehr selbst, wenn man dieses lebensgefährliche Chaos so nennen will. So gut wie jeder Reiseführer rät davon ab, dort selbst einen Mietwagen zu fahren. Normalerweise pfeiffen wir auf so etwas, in diesem Fall aber brauchten wir nur wenige Minuten, um den Sinn der Warnung zu verstehen.
Der Straßenverkehr auf zweispurigen Straßen läuft inner- wie außerorts bis zu fünfspurig. Dabei ist nicht unbedingt gesagt, dass alle, die rechts fahren, auch in die Richtung unterwegs sind, die man dann normalerweise vermutet. Vorfahrtregeln scheint es auch keine zu geben: Oft fädelt sich ein Wagen aus linken Querstraßen sukzessive diagonal über die Spuren in den Verkehr ein – mit voller Beschleunigung, versteht sich. Wenn man Pech hat, wird man in so einem Augenblick parallel rechts überholt. In Dörfern scheint die Geschwindigkeit auf 5 bis 90 Km/h reguliert zu sein – schließlich gehören auch Pferde zum Straßenbild. Wer es eilig hat, hupt audauernd, um die auf der Straße spielenden Kinder vor der Druckwelle zu warnen.
In den ersten zwei Stunden Fahrt haben wir öfter mal vor Schreck geschrien oder hysterisch gelacht, wenn wir glaubten, unser Fahrer würde gleich zum Mörder. Der lächelte dann höchst relaxed, drehte sich zu uns um und meinte „No problem, no problem!“. Wir unterdrückten die Schrecklaute daraufhin, um unsere Chancen zu erhöhen, die Fahrt zu überleben. Aber wie das so ist: man gewöhnt sich schnell an so ziemlich alles. Am Ende unseres Urlaubs dort nickten wir eher anerkennend, wenn dem Fahrer wieder eine besonders souveräne Katastrophenvermeidung gelang. So ist das Leben.
Zutiefst beeindruckt haben mich allerdings die öffentlichen Verkehrsmittel: Das Motoconcho und das Guagua.
Ein Guagua ist ein meist uraltes, gerade noch fahrtüchtiges, als Sammeltaxi genutztes Fahrzeug, von dem seine Entwickler fälschlicherweise glaubten, es wäre für den Transport von vier bis fünf Personen gedacht. Ein Irrtum, weil so ein Ding ja viel mehr kann: In unserem ersten Guagua saßen wir zu zehnt, den von uns gezählten Rekord sieht man in der Bildergalerie: 16 Personen in und auf einem Pickup – plus Ladung versteht sich. Die kann aus Reissäcken bestehen, aus Hühnern, Baumaterialien, Gasflaschen oder großen Benzinkanistern, die die Guaguas von Ort zu Ort transportieren. Dort wird der Sprit in Bierflaschen umgefüllt, die an kleinen Straßenständen präsentiert dann als informelle Zapfstellen für das zweite und häufigste Verkehrsmittel dienen, das Motoconcho.
Gemeint ist damit ein schwachbrüstiges, aber meist satt frisiertes Motorrädchen mit 50 bis 150 Kubik und sechs Fußrasten. Die brauchen die Dinger, weil anscheinend ausnahmslos jedes dieser Moppeds auch ein „Taxi“ ist, das man jederzeit anhalten kann, bis es voll ist.
Und das ist bei drei bis sechs Personen der Fall: Sechs – zwei Erwachsene, drei Kinder und ein Säugling – war der von uns bestaunte Rekordfall, drei bis vier Personen ist dagegen schon fast der Regelfall. Weniger Personen transportiert das Motoconcho allerdings dann, wenn Damen darauf Platz nehmen. Denn die sitzen darauf natürlich im Damensitz, also quer. Platz bleibt dann allenfalls noch auf dem Gepäckträger, was man allerdings auch des öfteren sieht. Wer einen empfindlichen Hintern hat, legt sich eine leere Plastikflasche als Kissen darunter.
Das alles ist unglaublich witzig und wahnsinnig anarchisch. Polizisten am Straßenrand drehen sich noch nicht einmal um, wenn ein Concho mit vier Personen vorbeiächzt, dessen Fahrer auf dem Tank sitzend telefefoniert, während ihm während der Fahrt eine Zigarette im Mundwinkel hängt. Auch das geht, weil es zwar Helmpflicht gibt, offenbar aber keine Helme. Weniger witzig ist dann auch die Konsequenz aus diesem Verkehrswahnsinn: Die DomRep gilt als der karibische sowie mittelamerikanische Staat mit der höchsten Unfall- und Totesopferquote im Straßenverkehr. Da hört der Humor dann auf.
Eingeklemmt: Durch eine ausgedehnte Knautschzone gesichert fährt dieses Mädchen mit Omi zum Einkaufen in die Kreisstadt Samana
Standard: Die Dreierbesetzung ist keine Ausnahme, sondern vorgesehen – darum haben Motoconchos ja sechs Fußrasten
Einer geht noch: Ein Blid, aus dem man ein Quiz machen könnte. Die Zahl der Passagiere erschließt sich nur aus der Zahl der sichtbaren Beine. Der Junge hinten hat eine Gasflasche dabei – auch das ein Standard
Damenhaft: In Linkskurven sieht das ja noch einigermaßen stabil aus. Rechtskurven will man sich gar nicht vorstellen
Der Nachteil der züchtigen Transportweise: So passen „nur“ zwei Personen aufs Mopped
Guagua: „Federweg“ ist erstens ein Fremdwort, zweitens total überschätzt. 16 Personen transportieren kann man auch ohne
Preisfrage: Was stimmt nicht auf diesem Bild?
Richtige Antwort: Alles in Ordnung! Die junge Mutter hält ihren Säugling schließlich sicher mit zwei Händen fest. Das ist nicht immer gewährleistet: Wir haben auch solche Fuhren mit ZWEI Säuglingen gesehen
Man beachte, dass dieser Fahrer links fährt. Natürlich werden wir ihn gleich rechts überholen
Einkaufsfahrt: Sack links, Huhn rechts
Sack und informeller Benzinkanister in der linken Hand: So bleibt die Gashand schön frei. Kuppeln kann er zwar nicht mehr, aber wie heißt es so schön? Wer bremst, verliert eh
Kein Großlasttransport: Wir haben auch Conchos gesehen, auf denen Beifahrer vier Meter Lange Rohre transportierten
Schlank geht das: Zwischen dieses junge Mädchen im Damensitz und den Fahrer passt hier zum Glück auch noch die kleine Schwester
Eins vorn, zwei hinten: Der verantwortungsvolle Fahrer setzt sich den kleinsten Fahrgast auf den Tank. Kleiner Tipp: man beachte den Kinderarm rechts hinter dem Fahrer. Auf diesem Conco werden nicht zwei, sondern drei Kinder transportiert!