Mein Arbeitgeber SPIEGEL ONLINE, der sich einer Kampagne populärer Webseiten gegen Adblocker angeschlossen hat, bekommt dafür zurzeit mächtig Prügel in Blogs und Foren. Argumentiert wird da so, wie schon seit 1995: Werbung sei Belästigung, zu schrill, ihre Unterdrückung darum eine Art Notwehr.
Es ist eine unglaublich kurzsichtige, die Realitäten ignorierende Argumentation.
Notwehr wäre es aus Sicht der Verlage, von denen viele seit 20 Jahren Geld ins Internet stecken und kostenfrei Inhalte anbieten, ohne dass sie damit Geld verdienen, ihre Angebote dicht zu machen und Geld zu verlangen. Viele werden das noch dieses Jahr versuchen. Die meisten davon werden schlicht verschwinden. Weil entgegen aller Beteuerungen, die man in diesen Tagen auch wieder liest, kaum ein Nutzer wirklich bereit ist, auch nur Mini-Beträge für Web-Inhalte zu bezahlen. Und damit meine ich nicht einmalig, so als Spende, sondern andauernd. Am besten an alle Seiten, die man nutzt.
Hallo? Wer hat da noch Probleme mit Werbung, wenn man sich das als alternatives Szenario vorstellt?
Für ein Ausschalten von Adblockern zu werben ist nichts anderes als der Versuch, weiterhin für den Nutzer kostenlos Inhalte anzubieten. Alles, was der dafür ertragen muss, ist ein wenig Bling-Bling.
Forderungen, Werbung unauffälliger zu machen, sind übrigens schlicht bescheuert. Wer so etwas fordert, hat nicht begriffen, worum es bei Werbung geht. Natürlich muss die auffallen, sonst wirkt sie nicht. Und wenn sie nicht wirkt, taugt sie auch nicht als Refinanzierungsbasis für kostenlose Angebote. „Gezieltere“, „personalisierte“ Werbung einzufordern ist dann noch der ultimative Blödsinn. Wünschen wir uns wirklich noch mehr Profilierung unser Persönlichkeiten, mehr Schnüffelei, mehr Eindringen in unsere Daten, den Verkauf dieser Daten? Geht’s noch? Ich will das nicht.
Mit schönster Regelmäßigkeit wird dann noch die Plattitüde ausgepackt, die Verlage verstünden das Internet nicht. Sorry, aber wir haben es mit geformt: Der SPIEGEL war ab 1993 online präsent (Compuserve), ab 1994 als erste News-Webseite weltweit auch im WWW. Wo war damals die von Vorträgen lebende, heute als Berater oder Experten vor sich hinsalbadernde „digitale Avantgarde“ dieser Welt? Sorry, aber das bringt einen echt auf die Palme.
Liebe Web-Experten, Community-Bewohner, Blogger, Digerati und Technorati: Ihr verteidigt das Web nicht, sondern Ihr macht es Euch selbst und uns allen kaputt. Man kann das, was Medien im Web bieten, mitunter Käse finden. Dort aber keine Medien mehr zu finden, die man einfach aufrufen kann, ohne vorher ein zahlungspflichtiges Abo abzuschließen, wäre wirklich Käse. Die Verlage denken solche Dinge nicht an, weil sie das wollen, sondern weil ihnen keine Alternative mehr bleibt. Sie bluten gerade finanziell aus, falls das jemand verpasst haben sollte. Weil selbst am Kiosk immer weniger Leute Geld in die Hand nehmen wollen – es gibt ja das Internet, wo es alles umsonst gibt.
Wer das wirklich glaubt, hat den Knall allerdings wirklich nicht gehört. Gratis gibt es nichts im Leben. Wenn Nutzer von Webseiten per Adblocker die Werbung unterdrücken, nötigen sie den Anbieter, die Zeche für ihn zu zahlen. Bei 25 Prozent Adblockerquote (und mehr) ist das heute ein Normalfall, den kein Verlag länger hinzunehmen bereit ist.
Ja, Internet-Werbung ist oft lästig, ärgerlich, hässlich. Der Witz ist nur, dass ich auch etwas dafür bekomme, wenn ich sie hinnehme. Tue ich das nicht, gilt das nicht mehr lang. So einfach ist das.