Schattig ist’s: Idealwetter

Ende April im Pfahlbaumuseum Unteruhldingen am Bodensee. Das Wetter ist abgestürzt, es ist arschkalt: Im Radio heißt es, die Schneefallgrenze falle nun bald auf 300 Meter. So weit ist es noch nicht ganz, die Temperatur hält um 6 Grad, dazu fällt ein steter Nieselregen, der mitunter zu veritablen Schauern auffrischt.

Mit einem Wort: Idealwetter.

Zumindest dafür:

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Die Hütten stehen auf Stelzen im Wasser und unterscheiden sich nicht so sehr voneinander, wie man annehmen würde. Sie sind Rekonstruktionen von Häusern und Siedlungen, die hier vor sehr langer Zeit angeblich genau so einmal standen. Die decken ein Zeitfenster ab, das vom Neolithikum bis in die späte Bronzezeit reicht. Die „ältesten“ Bauten repräsentieren damit einen Baustil und eine Technik, die 5500 Jahre auf dem Buckel hat. Die „jüngsten“ stehen für Häuser aus dem 9. Jahrhundert vor Christus.

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Sie unterscheiden sich, aber nicht sehr. Die einen sind in einer Art Lehm-Fachwerk gebaut, bei dem an Trägerbalken befestigte Matten mit nassem Lehm zu Wänden aufgebaut wurden, die anderen sind Blockhäuser. Das ist Innovation, für einen Zeitraum von über 2600 Jahren aber nicht viel. Offensichtlich war die Bauform für die Bedürfnisse dieser Seebewohner ideal und wenig verbesserungswürdig oder -fähig.

Man ahnt das gerade an so einem Tag, wo der Wind den Regen kalt und gern auch horizontal vor sich herweht: Was hier im Wasser steht, hat nie lang gehalten. Es waren sozusagen Hart-Zelte, die man aufbaute, nutzte und verließ, bevor sie kollabierten. Alle zehn, zwölf Jahre, sagt der Führer, werden die Pfahldorfbewohner sich ein neues Dorf gebaut haben. Am – oder besser im – Bodensee fand man bisher die Überreste von rund 400.

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An diesem idealen Tag fühlt oder ahnt man zumindest, wie dieses Leben gewesen sein mag. Schön im Sommer. Ansonsten: zugig und feucht. Vor die Fenster hing man geflochtene Matten, Felle oder Vliese, wenn der Wind zu stark pfiff, der Frost biss. In der Hütte brannte ein Feuer, dessen Rauch manchmal zögerlich zum Dach aufstieg und abzog. Ohne Feuer war kein Überleben, aber manchmal zerstörte es auch die Lebensgrundlage, wenn die Hütte selbst Feuer fing.

Ich stehe im Wind, auf dem Steg, der die verschiedenen Teile des Museumsdorfs verbindet. Der See liegt Bleigrau, der Himmel harmoniert damit.

Man hört nichts. Da draußen ist niemand.

Ideal.