Vielleicht liegt das am Alter, vielleicht auch nur an der aktuellen Phase, in der Popmusik gerade steckt, aber es passiert immer seltener, dass mich eine neue Veröffentlichung sofort fängt. Bei Squid ist das anders. Ich habe nur ein paar Töne gebraucht und mein Kopf ging hoch wie bei einem Erdmännchen im Alarmzustand: Huch, dachte ich, das ist interessant!
Squid kommt zum einen dermaßen schräg angeschwappt und ist zugleich auf so eigentümliche Weise vertraut, dass mir jedes Lied ein großes Fragezeichen ins Hirn malt: „WTF“ würde man heute wohl sagen, „woher kenne ich das? Und kenne ich das wirklich?“
„GSK“ (höre oben), der erste echte Track des Debutalbums, klingt wie der junge Beck auf Amphetamin. Die im Grunde sanft schwingenden, von einem kreisenden Bass-Lauf untermalten Beats, eigentlich wie gemacht für eine chillige Nummer, halten Töne zusammen, die so krumm sind, dass sie für Stress sorgen. Dabei sind sie nur vordergründig disharmonisch: was die da ihren Instrumenten entlocken, ist ein gezielter, jazzig souveräner Bruch mit Hörgewohnheiten – immer knapp neben der Erwartung und deshalb eine Art kleiner Angriff auf unser Harmoniebedürfnis.
Wie die das machen? Mit winzigen Mitteln. Man höre nur mal darauf, was das kleine Schlagholz in den ersten 20 Sekunden des Songs veranstaltet: Auf den Teppich satter, maschinenhaft gleichförmiger Beats legt es ein asynchrones, offensichtlich analoges Klackern, das meist aber nur „falsch“ betont ist. Das ist, als säße man im Konzert neben jemandem, der immer leicht neben den Takt klatscht. Es hört sich an, als mache da jemand mit, der das nicht richtig kann. Live wäre das Gegenteil der Fall: Dermaßen konsequent „daneben“ zu liegen wäre großes Kino. Was Sekunden später auch für die Bläser und Saiteninstrumente gilt.
Das alles ist auf eigentümliche Weise neu, auch wenn es natürlich seine Wurzeln hat. Die meisten Rezensenten nennen das Postpunk, weil sich kein naheliegenderes Label aufdrängt. Ich bin da nicht so sicher, denn manches ist eher eine Art Anti-Punk: hoch artifiziell und voller Zitate.
Am deutlichsten ist noch das punkige Zitat des Gesangs: das erinnert zum Beispiel an frühe Nummern der Stranglers. Auch die wurden Ende der Siebziger mangels passender Schubladen als Punk verbucht, obwohl sie meist White-Reggae-Ska-Rock-Pop spielten – also einfach, was sie wollten.
„Peaches“ von 1977 war einer ihrer ersten großen Hits.
Stimmlich hätten die Sänger von Squid und Stranglers hier durchaus ein Duo aufmachen können, oder? Ich erkenne zwischen „GSK“ und „Peaches“ darüber hinaus jede Menge weiterer Parallelen – die Autoren „tickten“ ähnlich, spielen auf ähnliche Weise mit ihren Hörern.
Squid selbst verweisen auf jede Menge alter musikalischer Vorbilder, bis hin zur Elektronik-Urband „Neu!“, auf die auf dem Debutalbum der Band vor allem die immer wieder auftretenden Elektronik-Sequenzen verweisen, die Hintergrund und Ruhephasen liefern – die Neu!-typischen, elegischen Synthie-Teppiche sind hier aber nur beruhigende Versatzstücke vor dem nächsten Schrägton.
Insgesamt ist die Grundstimmung der ersten Squid-Scheibe „Bright Green Field“ eher düster und gebrochen, aber auf eine ironisch-witzige Weise.
Leichte Kost ist das nicht. Aber sehr, sehr cool.