Onlinejournalismus ist Onlinejournalismus: Schlecht gestellte, gute Frage

Die kleine Anfrage an die Landesregierung von Sachsen, was diese denn unter Onlinejournalismus verstehe, hat einen Spott- und Hämeregen auf den Fragesteller Dirk Panter (SPD) niedergehen lassen. Die Antwort, die man ihm gegeben hatte, lautete: „Die Staatsregierung versteht unter Onlinejournalismus Onlinejournalismus.“

Vordergründig ist das einerseits witzig, andererseite gut und richtig so: Genau so selbstverständlich sollte das nach nun 18 Jahren Onlinejournalismus in Deutschland sein. Onlinejournalismus ist eben Onlinejournalismus, gemeinhin eine Spielart des aktuellen Journalismus irgendwo zwischen Agentur und Presse, manchmal gewürzt mit multimedialen Zusatzangeboten. Die meisten Deutschen nutzen das heutzutage, in den USA ist Onlinejournalismus inzwischen populärer als das auf Papier gedruckte Wort. Wir sind zügig auf dem Weg dorthin. Da wirkt es schon komisch, wenn einer so fragt, als hätte er noch nie davon gehört.

Gemeint hatte Panter das allerdings anders, wie der Blogger Peter Stawowy auf Nachfrage herausfand: Panter wollte nach einer klaren Stellungnahme zur Regierungsposition im laufenden Hickhack um Tagesschau-Apps und ähnlichen Kram der Öffentlich-rechtlichen (ÖR) fragen.

Dabei geht um die Frage, ob die finanziell übermächtigen TV-Sender, finanziert über eine Zwangsabgabe, die man aus verschiedenen Gründen nicht Steuer nennen will und kann, den privatwirtschaftlich agierenden Verlegern auf deren Terrain Konkurrenz machen dürfen. Klar, die Diskussion darüber wirkt mitunter hysterisch, wenn man bedenkt, wo die Angebote der ÖRs im Popularitätsranking der deutschen Webseiten (laut Alexa.com) stehen: Tagesschau auf 81, ZDF auf 99, ARD auf 184. Es gibt regional agierende Elektrohändler, deren Seiten stärker genutzt werden.

Das allerdings macht die aus GEZ-Abgaben geschöpften Millionengelder für die Online-Engagements zu einem noch größeren Skandal: Gemessen daran, wie viel Gebührengelder in die Engagements gesteckt werden, kommt doch herzlich wenig dabei heraus. Da agiert der private Sektor ökonomischer und effektiver.

Zugleich machen diese finanziell satt unterfütterten Angebote den meist noch immer defizitären Angeboten der Verlage Konkurrenz. Kostenpflichtige Angebote beispielsweise sind wenig aussichtsreich, solange die ÖR diese mit gebührenfinanzierten Offerten unterminieren könnten. Das aber würden sie tun: Gerade dann, wenn die Kommerziellen beispielsweise versuchen würden, für bestimmte Dienstleistungen und Angebote Geld zu verlangen, würde es für die ÖR quasi per definitionem zum Auftrag, diesen eine kostenfreie Alternative entgegen zu stellen – zur Sicherung der „Grundversorgung“. 1950 mag diese Denke sinnvoll gewesen sein. Heute, in Zeiten allgegenwärtiger Informationsquellen, ist sie ein Witz.

Panter im Interview mit Stawosky Stawowy: „Mich interessiert an diesem Punkt, welche Position die Staatsregierung einnimmt: Schlägt sie sich auf die Seite der privaten Verleger oder unterstützt sie die Öffentlich-Rechtlichen in ihrem Auftrag, umfassende Informationen für alle zugänglich zu machen?“

Das ist eine legitime Frage – egal, wo Panter selbst in dieser Frage steht – , die man vielleicht klarer hätte stellen können und sollen. Jetzt steht Panter vor allem bedröppelt da, BLÖD kürte ihn zum „Verlierer des Tages“. Das hat er sich quasi semantisch verdient, unter dem Strich aber nicht. Die Frage ist berechtigt, eine unparteiische Antwort in Anbetracht der natürlich bestrittenen Staats-, Lobby- und Parteinähe der ÖR aber nicht sehr wahrscheinlich.

Prinzipiell bin ich dagegen, den Onlinejournalismus als eigene Gattung zu sehen. Online ist nur ein Verbreitungsweg, der Inhalte verschiedenster Art ermöglicht. man sollte ihn nicht mystifizieren. Die meisten Onliner betreiben eine Form des besonders schnellen Schriftjournalismus (vergleichbar am ehesten mit Agenturjournalisten: ich habe das 12 Jahre lang gemacht), etliche arbeiten in ähnlichem Takt und unter vergleichbaren Bedingungen wie Tageszeitungsjournalisten (für mich gilt das seit rund 1,5 Jahren), andere machen Online Fernsehen (wie unsere Multimedialeute und die Kollegen von SPIEGEL TV) oder Radio oder Wochen-, Monats- oder sonstigen Journalismus.

Besonders sind nur die Bedingungen, unter denen Onliner arbeiten. In der Privatwirtschaft heißt das meist: Besonders kleine Strukturen, wenig Etat, wenig Zeit, wenig Ressourcen. Außer bei den ÖR, wo dann zudem auch meist noch besser verdient wird. Ein fairer Wettbewerb sieht anders aus.

Schade also um die schlecht gestellte Frage.