Heute ist bei SPON ein kleines Stück von mir zu Bong Joon-hos im April anlaufender Action-Sci-Fi-Dystopie Snowpiercer erschienen. Primär geht es um das bizarre Hickhack, mit dem der US-Verleiher Weinstein den Start des Films seit Monaten verhinderte, weil der ihm „zu intelligent“ für sein US-Publikum erschien.
Wenn einer der Strippenzieher der Kino-Industrie so über die eigene Kundschaft denkt, ist das ja auch entlarvend und erklärt so manches Problem, dass das US-Blockbuster-Kino zurzeit hat: Die haben den Mut, mit Massen von Geld zu werfen und haben gleichzeitig totale Panik, dass sich das nicht lohnen könnte. Also muten sie ihrem Publikum nichts zu, orientieren sich an der Anspruchs-Untergrenze. Dass Weinstein so ein Problem mit Snowpiercer hat, ist wohl das Resultat eines Missverständnisses: Ich wette darauf, der sah Bong Joon-ho nur als vielversprechenden Horror- oder Action-Regisseur, ließ sich über das Plot von Snowpiercer briefen und glaubte, er bekäme damit einen reinen Action-Kracher.
Womit er offenbar nicht gerechnet hatte war, dass „Action“ ja doppeldeutig ist – nicht nur ins Deutsche kann man das auch mit „Handlung“ übersetzen. Und was Bong Joon-ho geschafft hat, ist eben, aus einem extrem einfachen Plot – unterdrückte Arme üben Aufstand gegen totalitär herrschende Reiche und kämpfen sich von A nach B – eine Geschichte mit Tiefe, Hinter- und Abgründen zu konstruieren. Ach Du Scheiße, muss sich der gute Weinstein da gedacht haben: Ein Blutbad, über das man auch noch nachdenken soll? Das geht natürlich gar nicht, und so ließ er die Steilvorlagen zum Nachdenken herausschneiden.
Der SPON-Artikel enthält nur eine wenige Sätze zum Film selbst, wir wollten der Berlinale-Premiere nicht mit einer Rezension vorgreifen. Dass der Film lohnt, ihn sich anzusehen, lasse ich durchblicken, denn natürlich habe ich ihn schon gesehen. Ich will auch hier nicht spoilern Nur so viel: Ich bin noch nicht einmal ein Freund von Action. Gewalt ist für mich normalerweise ein Argument, einen Film nicht anzusehen, normalerweise ist das im Kino ja reine Idiotie, ein Handlungsersatz.
Snowpiercer ist ein ganz schön gewalthaltiger Film, aber selbst wenn die da mit Äxten aufeinander zu gehen, ist das kein Selbstzweck, dient keinen perversen Pointen. Der Film setzt den Zuschauer einem Wechselbad hochgradig stressiger und surreal langsamer Sequenzen aus. Bong Joon-ho weiß wie kaum ein anderer, wie er emotionalen Stress erzeugen kann. Das macht Snowpiercer mitunter zu einer Art klaustrophobischen „Psycho“, unter dem Strich aber zu einem bizarren Trip: Mich erinnert der eigentümliche Zug dieser Zug-Geschichte, bei der man ahnt, dass sie von Anfang an auf eine Katastrophe zurasen muss, beispielsweise an „Twelve Monkeys“, einem meiner liebsten Sci-Fi-Flics. Ich tippe mal, bei den Fans dieser Filme wird es etliche Überschneidungen geben.
Mein persönliches Fazit: Ich habe in den letzten zwei Jahren keinen Film gesehen, den ich lieber durchlitten habe. Snowpiercer ist weit davon entfernt, gute-Laune-Popcorn-Kino zu sein. Wer sowas will, wartet auf den nächsten bekloppten Blockbuster nach „Avenger“-Muster. DIE finde ich langsam wirklich ermüdend. Snowpiercer ist der Beweis, dass Action nicht dämlich sein muss.
P.S.: Deutsche Trailer gibt es noch nicht. Hier bekommt man schon mal einen untertitelten Eindruck: