Happy Friends Day: Hey! Ho! Juchuuuu!

Heute vormittag habe ich bei SPIEGEL ONLINE einen kurzen Artikel über den „Friends-Day“ von Facebook veröffentlicht. Der Text hat am Ende eine Pointe: Er zeigt, dass die tanzende Figur, die Facebook seinen Nutzern serviert, im Grunde dafür gedacht ist, die dazu zu bringen, die Datenbasis über eben diese Nutzer händisch zu verbessern.

Im Klartext:

Der Friends-Day ist ein Data-Mining-Trick, der etwas leisten soll, was Facebook mit Algorithmen allein nicht hinbekommt: Zwischen reinen Facebook-Freunden und echten sozialen Beziehungen zu unterscheiden. Also herauszufinden, wer wem besonders wichtig ist, und wer besonders eng mit wem verbunden ist. Es ist ein Tool, das auf die Privatsphäre der Nutzer zielt und versucht, deren Beziehungen besser zu erfassen.

Ich verglich diesen „Freudentänzer“ mit dem Trojanischen Pferd: Ein Ding, das wie ein Geschenk aussieht, aber zum eigenen Vorteil arbeitet.

Wenige Minuten, nachdem der Artikel veröffentlicht wurde, bewarb ihn unser Social Media Team bei Facebook.  Die Kollegen teaserten: „Hinter Facebooks #Friendsday steckt ein perfider Plan, vermutet Frank Patalong.“

Interessant ist, was folgte. Der Post wurde bisher über 520mal geteilt, vor allem aber über 120mal kommentiert. Und fast ausnahmslos bekam ich Haue: Nicht, weil ich auf den Data-Mining-Trick hingewiesen hatte – das scheint den meisten Leuten weitgehend egal zu sein. Sondern weil ich es gewagt hatte, in dem Artikel einen Unterschied zwischen echten und Facebook-Freundschaften zu behaupten.

Man wirft mir nun vor

  • dass ich mich bei Facebook mit Leuten befreunde, die ich nicht kenne
  • dass ich ja nicht jede Anfrage annehmen muss, wenn ich die Leute nicht kenne
  • dass ich alte Hüte verbreite, weil ja jeder weiß, dass ein Facebook-Freund kein echter Freund sei
  • dass ich angeblich eine schlimme Kindheit hatte
  • dass ich „Vollpfosten“ selbst schuld sei, weil ich zuviele Freunde sammele

…und so weiter.

Am niedlichsten sind die, die mich darauf hinweisen, dass ich „im übrigen auch das Video (vor dem Veröffentlichen) ändern und sich die ‚Freunde‘, die drin erscheinen sollen, aussuchen“ könne.

Ja, genau, darum ging es in dem Text. Darum, dass man, wenn man das tut, Facebook hilft, Persönlichkeitsprofile zu schärfen. Data-Mining. Aber sorry, dafür hätte man den Text natürlich bis zum Ende lesen müssen. Was natürlich viel verlangt ist.

Einige wenige helfen mir dann, trotzdem mein Bild vom mündigen Leser zu bewahren.

Nach dem Lesen von zehn Kommentaren muss ich sagen: Manchmal (…)  tut ihr mir leid, dass ihr euch mit so viel schwachsinnigem Themaverfehlungsgelaber rumärgern müsst. Also, mein ernst gemeintes Beileid dazu. Guter Artikel. Danke.“

Nein, Dank zurück. Von ganzem Herzen.

Seufz: Die Post ist da

Heute früh, in meinem Email-Postfach:
 
„Sehr geehrter Herr Patalong,
seit Juni 2016 kann man sich bei der XXXXXXXX AG deutschlandweit zur Fachkraft für Lagerlogistik weiterqualifizieren.
Die Fakten dazu finden Sie hier als druckfähige Datei. Möchten Sie weitergehende Informationen, dann klicken Sie auf XXXXXXX oder rufen Sie einfach an.
Im Fall einer Veröffentlichung freuen wir uns über Belegexemplare, gern auch als PDF.
 
Mit freundlichen Grüßen
Frau PXXXX
Marketing & Organisation“
 
Das ist professionelle PR.
Komplett unzielgerichtet, völlig erratisch und absolut nutzlos.
Selbst wenn das Thema irgendetwas mit mir und meiner Arbeit zu tun hätte, wo sollte ich das veröffentlichen? Bei SPIEGEL ONLINE?
Ein guter Plan! Schlagzeile:
„XXXXXX bildet Lagerpacker aus!“
Vielleicht sollte sich auch Frau PXXXX da mal weiterqualifizieren. Vielleicht packt sie das besser als PR.
 
P:S: Ich habe absolut nichts gegen Lagerarbeiter.

Rrrrrrrrrrrssssssssssssssss….

Total cool, endlich erforscht das mal einer:

„Sehr geehrte Redaktion,

mit unserem heutigen Pressetext möchten wir Sie über die Ergebnisse unserer aktuellen Studie zum Thema „Staubsaugen im Visier: Österreicher mögen es staubfrei“ informieren:

Österreichs Online Markt- und Meinungsforschungsinstitut Marketagent.com lüftet Geheimnisse rund um die Hausarbeit Staubsaugen. 1.035 Personen zwischen 18 und 69 Jahren wurden zu ihrem Staubsaugverhalten, als auch rund um ihre Einstellung und Wahrnehmung der bekanntesten Staubsaugermarken befragt. Ergebnis: Jeder achte Befragte staubsaugt einmal in der Woche oder öfter zuhause. Am häufigsten wird dazu der Bodenstaubsauger verwendet.“

Ehrlich?
1.035 Österreicher waren bereit, sich über ihren Saugerythmus befragen zu lassen?
Und nicht nur das: Auch über die besten Sauger-Marken (hier aus offensichtlichen Gründen weggelassen)?
Wow.

Wer sich fragt, wie man zu solchen Studien kommt, sehe sich auf der Unternehmenswebseite um: Hinter solchen Befragungen stehen natürlich zahlende Auftraggeber.  Als Befragter verdient man hingegen Geld damit. Zitat: “ An Online Umfragen teilnehmen – Mit jeder Umfrage online Geld verdienen“.

Im Klartext: Die „Studie“ basiert auf 1035 bezahlten Antworten.

Um so bitterer, dass so ein Müll trotzdem regelmäßig in Medien landet. Ein Wunder ist es aber leider nicht: Wir Redakteure bekommen so etwas als kostenlosen Inhalt angeboten, und wenn wir nachfragen, gibt es meist noch eine schicke Infografik dazu. Ein wachsende Zahl kleinerer Medien – Online wie Print – bekommt ihren redaktionellen Teil nur noch mit immer größerer Mühe produziert – mangelnde Zahlungsbereitschaft, miese Werbeumsätze und (bei Onlinemedien) dann noch Adblocker obendrauf entziehen ihnen die finanzielle Basis. Kein Wunder, dass sie PR-Mist allzu oft Eins-zu-Eins bringen, ohne Rückfrage, ohne Blick darauf, wo der Müll herkommt.

Wetten, dass wir sowas immer häufiger sehen werden?