Smart?

Freunden gehe ich mitunter auf den Keks, weil ich oft schwer erreichbar bin. Tagsüber sitze ich an meinem Arbeitsplatz, da steht ein Telefon. In meiner Freizeit brauche ich das nicht. Ein privates Handy habe ich noch nie besessen, mein Diensthandy mache ich nur an, wenn ich dienstlich unterwegs bin oder wirklich dringend jemanden erreichen muss.

Ansonsten nehme ich mir die Freiheit, nicht ständig kommunizieren zu müssen.

Ich mache das so seit 2002 und bin gut damit gefahren. In den letzten zwei Jahren spüre ich, wie der Druck wächst, „mehr“ mit meinem Handy zu tun. Ich habe ein iPhone, aber den iTunes-Account nicht aktiviert. Das Ding hat deshalb keinerlei Apps.

Es ist eine bewusste Entscheidung. Ich vermisse und verpasse absolut nichts dabei. Wenn ich einen Weg nicht finde, frage ich jemanden. Wenn ich ein Restaurant suche, lasse ich mir keins von meinem Handy vorschlagen, sondern laufe los und schaue in die Fenster. Wenn da viele Leute sitzen, und es denen offenbar gut geht, geh ich hinein.

Wenn ich mit Leuten zusammen bin, erwarte ich, dass die nicht telefonieren. Wenn das überhand nimmt, sage ich es. Mein Handy ist in Gesellschaft deaktiviert, so wie im Kino, im Flugzeug, im Zug. Wenn ich wirklich telefonieren muss, verlasse ich den Raum oder sehe zu, dass ich mich von meiner Gesellschaft (egal ob Freunde oder Fremde) soweit distanziere, dass ich die mit meinem Gespräch nicht belästige.

Ich empfinde die Manie der absoluten Erreichbarkeit als ungesund. Es nimmt unserem Erleben die Qualität. Die Spitze sind für mich diese Gestalten, die auf Konzerten ihre Handies in die Luft halten und nonstop mitfilmen.

Für wen?
Wozu?

Manchmal ärgere ich mich, wenn ich etwas Tolles sehe und keine Kamera dabeihabe. „Macht nix“, sagt mein Schatz dann oft, „das kannst Du eh nicht fotografieren.“

Fast immer stimmt das. Augenblicke kann man nicht festhalten, sie sind aus Zeit und Ort und Gefühl gemacht. Wer kein Handy dabei hat, muss es sich selbst merken: Was man dabei spürt, nennen die Amis „quality time“.

Die kann man schnell verpassen:

Ist das smart?

My Playlist: Ben Howard und John Martyn

Seid ein paar Jahren rollt eine Welle von Liedermachern durch die Musiklandschaft, die folkig-handgemachte Musik produzieren. Als jemand, der selbst Gitarre spielt, mag ich die natürlich. Vor zwei Tagen habe ich mir Ben Howard in Köln angetan. Ich mag seine erste Scheibe, weil sie überraschend komplex daherkommt.

Prinzipiell mag ich seine bewegten, fröhlichen Stücke lieber als die ruhigen, aber das hier brachte er wirklich schön.

Howard selbst nennt als eines seiner größten Idole John Martyn, und das merkt man. Bei etlichen seiner Stücke hat er nicht weniger Mühe auf die Singmelodien und Chorsätze verwandt als auf die für ihn so typischen Gitarrenriffs mit ihrem hohen Wiedererkennungswert.

An Martyn kommt er allerdings noch nicht heran. Hier spielt der sein berühmtes Stück für Nick Drake, aber letztlich ist die Performance typisch Martyn – eine Art Fusion von Jazz und Folk. Musik aus anderen Zeiten.

Auch Howard hat schon eine eingeschworene Fangemeinde, obwohl er letztlich in fast drei Jahren nichts Neues gebracht hat – wie auch, der Gute war nur unterwegs. Das ändert er jetzt bald, und einige der neuen Stücke spielte er auch schon in Köln.

Die meisten davon ließen die Fans eher ratlos zurück: Die Songs sind offensichtlich auf der und für die E-Gitarre produziert. Das ist typisch für das zweite Album eines Künstlers, der quasi nonstop tourt: Es sind Bühnensongs, die auf die Masse zielen. Meiner Meinung nach logisch, aber ein Fehler. Glaube nicht, dass das zweite Album damit zu einem großen Erfolg wird. Was man von Howard erwartet, sind Pickings und Melodiegitarren, keine Sound-Teppiche. Ein bisschen Martyn eben. Aber warten wir es ab.

Die mit sich selbst spielen…

…hieß mein Artikel über das Live-Looping eigentlich. Erschienen ist er bei SPIEGEL ONLINE vor ein paar Tagen unter der Schlagzeile „Live-Kunst aus Schleifen“, irgendwann geändert in „Umpf, umpf, dedisch“. Tja, so ist das manchmal. Erklärungsbedürftige Themen haben es manchmal schwer. Ganz unten drin hatte ich einen E-Mail-Link gesetzt, mir doch bitte Tipps für weitere spektakuläre Live-Looping-Auftritte zukommen zu lassen. 30 Minuten später hatte ich genug Post und Tipps, um damit weitere zig Artikel zu befüllen. Zwei reichlich schräge Tipps habe ich schon mal rausgepickt. Hier sind sie:

Die andere Aufnahme zeigt eine A-Capella-Loopingaufnahme der britischen Sängerin Imogen Heap. Die gehörte zu den ersten Absolventen dieser Popmusik-Kaderschiede Brit School, aus der später auch Kate Nash, Katie Melua, Leona Lewis, Amy Whinehouse und Adele hervorgehen sollten. Schon eine ziemlich auffällige Häufung. Wären nicht auch die Kooks ein Brit-Spinoff, könnte man meinen, das sei eine Mädchenschule.

Whinehouse war ja länger die populärste darunter, obwohl sie nur das Zeug anderer Leute sang. Imogen Heap gehört zu den kreativen, originellen Vertretern ihrer Alma Mata und macht ihre eigene Musik. Hat leider die Aufmerksamkeit nicht bekommen, die ihre mehr Mainstream-orientierten Kolleginnen ernten konnten. Hier zeigt sie mal live und loopend, was sie musikalisch und stimmlich drauf hat. Marke „BB“ -bizarr und beeindruckend. Sowas hört man nicht alle Tage. Da drängt sich ein traditioneller Kunstbegriff geradezu auf: Kunst ist, was nicht jeder kann.