Identitäten: Wie macht das Känguru?

Schon mal erlebt, wie ein Mem geboren wird? Gestern wurde Geburtstag gefeiert, ein 48. Entsprechend sah das Publikum aus: Ein wenig familärer Anhang (17 Jahre jung), ein paar ältere Nachbarn (Top-Alter circa 72), Beschwerde-Prävention. Und dazwischen die normale Spanne von Freunden, die so ein 48-jähriger hat: Alles von Ende 30 bis Ende 50 hoch.

Zu fortgeschrittener Stunde rutscht Kumpel Thomas neben mich auf die Bierbank. „Och Frank“, sagt er, „die sind doof. Die sind mich am verarschen.“

Ich dreh mich zum Stehtisch um, an dem Thomas bis gerade noch stand. „Der kennt Skippy nicht!“ ruft mir Thomas‘ Frau zu.
„Wie, der kennt Skippy nicht?“ antworte ich spontan, und alles brüllt vor Lachen: „Der ist zu juuuhung!“

„Doof“, sagt Thomas, „wat weiß ich von Skippy?“
„Wie willst Du denn dann die Millionenfrage knacken“, sage ich, „wenn Du mal gefragt wirst: Wie macht das Känguru?“

In diesem Augenblick geschieht es: Ein Mem wird geboren.

Denn spontan schalten drei, vier der Älteren am Stehtisch, formen einen Kussmund und machen schnelle, helle Schnalzgeräusche mit der Zunge: Tztztztztztz!
Brüllendes Gelächter.

„Wie macht das Känguru?“ und Küsschen-Staccato werden zum Running Joke des Abends. Es dauert nicht lang, bis auch die bräsige Titelmelodie gesungen wird. Die, die sie nicht kennen, bekommen sie per Smartphone und Youtube vorgeführt:

Mir wird bei der albernen Kiste wieder einmal klar, wie eng und kleinteilig definiert der Kanon der medialen Dinge war, der meine Generation geprägt hat. Die Fraktion um 50 wuchs mit Skippy auf, dem Steven Hawking unter den Kängurus, das so ziemlich alles konnte, was Fury (der Gangster verhaftende Gaul), Flipper (der weltrettende Delfin), Lassie (der allwissende Köter) und Ben (der Bär unter den Kinderfreunden) konnten – und dann noch ein bisschen mehr.

Alles übrigens tierische Helden, die vor allem fehlende Elternteile ersetzten. Die Viecher kümmerten sich in der Regel rührend um Adoptiv-, Stiefkinder oder Halbwaisen. Wir wuchsen also damit auf, das als normal zu empfinden: Entweder Amerikaner (oder Australier, wo immer das auch lag) waren alle irgendwie Halbwaisen und wurden deshalb von Tieren betreut, oder aber dortige Halbwaisen bekamen hyperintelligente Tiere als Betreuer. Selbst da, wo Mütter Teil des TV-Familienlebens waren, nahm man sie kaum wahr. In einigen Serien begegnet man öfter Pumas als weiblichen Wesen.

Ich weiß noch, dass ich mir wirklich mal die Frage gestellt habe, warum das so ist. Drauf gestoßen war ich allerdings durch die Disney-Figuren: Mickey, Donald und Co haben ja durchweg keine Eltern, sondern Onkel und Tanten. Kinder sind entsprechend Neffen (Nichten scheinen dagegen nicht zu existieren, soweit ich mich erinnere). Genau wie bei den Tierserien, fiel mir dann auf. Was mir nicht auffiel, war, wie beknackt das alles war.

Skippy konnte absolut alles. Und weil die Kängurus, die als Darsteller dienten, in Wahrheit natürlich absolut nichts konnten außer rumhoppeln und Tztztztztztztz-Küsschen-Staccato, kam es bildsprachlich zu einem andauernden Wechsel zwischen Totale und Detailaufnahme. In der Totalen sah man ein desorientiertes Känguru in der Pampa herumstehen. Im Detail sah man dann Tierpfoten, die irgendwas aufhoben und dann damit dann etwas extrem intelligentes machten (siehe Video unten).

Lag natürlich daran, dass der Typ, der die Tierpfoten hielt, intelligent genug dafür war. Wir hingegen nicht: Uns Kindern konnte man Ende der 60er, Anfang der 70er jeden Scheiß vorsetzen, wir fielen drauf rein. Meine Blagen waren dagegen ab 12 Jahre sogar von nahezu perfekter digitaler Tricktechnik angeödet: Sie haben bis heute eine total feine Sensorik, was Trick ist und was nicht. „Boah, war das schlecht!“, sagte mal eines der Kids über die T-Rex-Szene in Jurassic Park, die mich heute noch umhaut.

Dafür haben sie keinen Kanon von medialen Inhalten, der sie irgendwann alle in nostalgischer Erinnerung oder brüllendem Lachen einen könnte. Wir Älteren teilen unendlich viele Kindheitserinnerungen. Bei den Generationen nach uns begann die Aufteilung auf Heranwachsenden-Subkulturen schon mit den Vorlieben der Kindheit. Wo wir einen, dann zwei TV-Kanäle hatten, wuchsen sie mit 32 aufwärts auf.

So wie Thomas, der schlicht drei, vier Jahre zu jung ist, werden sie nie wissen, wie das Känguru macht. Und warum man darüber so dermaßen lachen kann.

Tztztztztztz.

Monster: keine Qualitätsfrage

Als ich aufwuchs, gab es in Walsum noch ein kleines Kino, in dem es Sonntagsmorgens um 10 Uhr eine Kindervorstellung gab. Keine falschen Schlüsse jetzt, wir reden über 1971, die gezeigten Filme waren selten fit für ein „besonders wertvoll“: Kung-Fu-Streifen waren gerade in, Bud Spencer und – natürlich – Godzilla, Gamera und Co. Prägende Erlebnisse.

Noch heute mag ich meine Filme entweder besonderns gut oder aber ganz besonders schlecht. Ein Schinken, der mich besonders beeindruckte, war „Guila, Frankensteins Teufelsei“. Noch bescheuerter als der Titel war der Film selbst, ein absoluter Tiefpunkt (oder Höhepunkt, je nachdem, wie man es sieht) des japanischen Monsterfilms. Unter Fans firmiert diese Untat als „Das Hühnchen aus dem All“. Rund 30 Jahre gab es in Deutschland keine offizielle Kopie mehr zu kaufen, ich selbst habe vor einigen Jahren eine japanische Version mit englischen Untertiteln erstanden. Kein Problem, selbst wenn man nicht mit liest: Es ist nicht so, dass man viel verpassen würde.

Außer Guila, international manchmal auch Guilala genannt: Ein Monstrum mit Fühlern, an deren Enden Tennisbälle wippen. Geschlüpft aus einem glühenden Ei, das fliegen kann und seine Karriere als Schleim-Absonderung beginnt, die eine US-japanische Raumcrew von ihrem Raumschiff kratzt. Eine coole Bestie, die so unbeholfen durch die Gegend torkelt, das man hingehen und sie am Arm führen möchte: In einer Schlüsselszene ist zu sehen, wie der Kerl in dem Gummikostüm fast hintenüber kippt. Selten so gelacht.

Diese Art Kino ist das absolute Gegenteil von perfekt. Gerade das macht es erst witzig. Die besten Monster der Filmgeschichte sind die schlechtesten.

P.S.: Inzwischen gibt es wieder eine offizielle, qualitativ gute Kopie von Guila. Sie ist allerdings sündhaft teuer. Nur was für Fans. Die deutschsprachige DVD, die bei Ebay kursiert, ist eine von einer VHS-Kassette gezogene Kopie stellenweise sehr mieser Qualität – ein Bootleg.