Letzte Woche lief ich durch Trier, und was entdecke ich da als Deko im Schaufenster eines Friseurs? Eine Kreidler Florett, sehr nah dran an meinem ersten „Hobel“.
Copyright: F. Patalong
1979 stieg ich vom Mofa auf Mockick um, mit so einer Kreidler. Hatte mir ein Bergmann, der damit seit 1958 zur Arbeit gefahren war, für 50 Mark abgetreten. Sie war fünf Jahre älter als ich.
Wie die meisten Kreidler verstand auch meine die Geschwindigkeitsvorgabe von 40 km/h entweder nur als unverbindlichen Vorschlag oder als Meilenangabe: Die alte Karre zog locker 75 km/h, was mir allerdings keinerlei Respekt einbrachte. Denn erstens waren die Kreidler RMC, die viele meiner Freunde fuhren, erheblich schneller und zweitens auch erheblich schicker. Ich reagierte darauf mit Trotz und fuhr in der kälteren Jahreszeit mit einem langen, grauen Regenmantel – meine Kreidler und ich sahen dann so aus, als kämen wir schnurstracks aus den 50ern.
Doch die Charakterstärke hielt nicht an. Eine Saison und vier Wochen Ferienarbeit später saß dann auch ich auf einer RMC der Marke „fliegender Rasenmäher“. Dass ich die alte Kreidler verkaufte, hat mir der Bergmann nie verziehen. In Rückschau muss ich sagen: ich auch nicht, es war eine der dümmsten Entscheidungen meiner Jugend.
Heute hat Einestages eine Geschichte von mir über Holz als Baumaterial im Flugzeugbau des Zweiten Weltkriegs veröffentlicht. Klingt aberwitzig, war aber so: Ein Großteil vor allem der deutschen, britischen und russischen Flieger setzten auf Holz als wichtiges Material.
Ich hatte für den Artikel eine Liste der wichtigsten Flieger zusammengestellt, bei denen tragende Teile aus Holz gefertigt waren – vor allem Rümpfe und Flügel. Einestages konnte das Ding wegen eines technischen Problems nicht mitnehmen – ich habe sie unten an diesen Blogpost angehängt. Was ich selbst völlig verblüffend fand, war dass gerade viele der ikonischen, als Hightech der Kriegsjahre bekannten Flieger hölzern waren – darunter fünf der acht in Nazideutschland entwickelten Düsen- und Raketenflugzeuge. Es war nicht alles Metall, was glänzte.
Messerschmidt Me 163: Das Raketenflugzeug war bis 1953 der schnellste Flieger der Welt – und in maßgeblichen Teilen aus Sperrholz gefertigt. Copyright: USAF
Ich glaube nicht, dass es sonst eine so umfangreiche Zusammenstellung nach diesem Kriterium (Baustoff Holz) gibt. Vollständig ist sie aber wahrscheinlich trotzdem nicht, man muss sich das ziemlich mühselig zusammensuchen und das eine oder andere Modell habe ich möglicherweise übersehen. Holzflieger gab es natürlich auch in anderen Luftflotten als den hier aufgeführten, aber oft waren das auch technologisch alte Schätzchen, Überbleibsel aus dem Ersten Weltkrieg – sowas habe ich weitgehend ignoriert. Ignoriert habe ich auch all die Flugzeuge, die hier und da Bauteile aus Holz einsetzten, die aber für die Stabilität der Maschine keine große Rolle spielten. Und Rotoren – denn wenn man die mit hineinnehmen würde, könnte man auch die Flieger herausstreichen, die über Metallpropeller verfügten: das waren warscheinlich weniger.
Also: „Holzflieger“ sind in meiner Definition solche, bei denen maßgebliche Bauteile aus Holz waren (Rumpf, Flügel). Hier ist die Liste: Wer Spaß daran hat und sie weiterführen möchte, kopiere sie einfach und schreibe sie fort.
Flugzeuge des Zweiten Weltkriegs, bei deren Konstruktion Holz ein maßgeblicher Baustoff war (wichtigste Typen)
Jeweils: Typ – Einsatzzweck – Baujahre – gebaute Stückzahl
Deutschland
Arado Ar 396: Schulflugzeug, 1945-50, ca. 130 Stück
Bachem Ba 349: Raketenflugzeug, 1944-45, ca. 30 Prototypen
DFS 230: Lastensegler, 1939-44, 1603 Stück
Fieseler Fi 156: Kurierflieger, 1936-49, 2867 Stück
Focke-Wulf Fw 56: Schulflugzeug, 1933-36, ca. 510 Stück
Focke-Wulf Ta 154: Mehrzweckflugzeug, 1943-44, unter 50 Stück
Gotha Go 145: Schulflugzeug, 1936-40, 1182 Stück
Gotha Go 242: Lastensegler, 1941-44, 1481 Stück
Gotha Go 244: Transportflugzeug, 1942, 233 Stück
Heinkel He 162: Jagdflugzeug (Düsenjet), 1944-45, ca. 170 Stück
Heinkel He 51: Jagdflugzeug, 1934-37, ca. 230 Stück
Heinkel He 60: See-Aufkläer, 1932-38, 361 Stück
Henschel HS 132: Sturzkampfbomber (Düsenjet), 1945, ein Prototyp
Horten H IX: Nurflügler (Düsenjäger), 1944-45, drei Prototypen
Junkers Ju 322: Lastensegler, 1941, nur zwei Prototypen
Messerschmitt Me 163B und 163C: Abfangjäger (Raketenantrieb), 1944, über 350 Stück
Siebel Si 204 D3: Transportflugzeug, 1944, 64 Stück
Japan
Kokusai Ki-105: Transporter, 1945, 10 Prototypen
Kyushu K11W2: U-Bootjäger, Stückzahl unbekannt, aber gering
Während der Recherche machte ich eine seltsame Beobachtung. Mein Ansatz war, nach Berichten von Ersterfahrungen mit dem Flieger zu suchen. Dafür stöberte ich in deutschsprachigen Zeitungsarchiven. Am Ende landete ich stattdessen in Australien.
Der Grund: In deutschsprachigen Zeitungen der Jahre 1935-1939 fand ich AUSSCHLIESSLICH knappe Wirtschaftsmeldungen („Firma XYZ kauft zwei“, „Arbeiter bei Douglas streiken“) – oder Katastrophenmeldungen, und die mit Genuss und in Masse: Douglas zerschellt an Berg, DC3 stürzt ab usw. etc..
Ab 1939 gab es stattdessen Abschuss-Meldungen. Gesucht hatte ich in deutschen, österreichischen und schweizer Zeitungen, merkliche Unterschiede fand ich nicht. Ich fand keine einzige Reportage, keinen Augenzeugenbericht und noch nicht einmal einen einzigen Artikel, der sich auch nur sachlich mit den Eckdaten des neuen, für seine Zeit revolutionären Fliegers beschäftigt hätte.
In der englischsprachigen Welt (auch außerhalb Amerikas) stattdessen ein ganz anderes Bild: Die Medien dort waren kreuz und quer durch den Sprachraum voller Vorberichterstattung, Reportagen über das neue Flugzeug, Meldungen über seine Pionierleistungen.
Und Australien schoss hier den Vogel ab. Dort berichteten die Medien regelmäßig ab 1935, obwohl die erste Maschine erst 1937 geliefert wurde. Man findet da ernsthaft Schlagzeilen wie „Noch drei Monate bis Superflugzeug kommt“. Das ging so weit, dass die Australier „ihre“ ersten DC-3 in der Berichterstattung personalisierten: Statt Flugnummern berichteten sie über die Flieger anhand derer „Taufnamen“ – so, wie man über große Schiffe berichtet. Für Australien war die Einführung solcher Passagierflieger offensichtlich eine revolutionäre Sache.
Im deutschsprachigen Teil Europas waren die Flugziele im Vergleich weniger isoliert voneinander – man kam ja auch per Zug relativ mühelos von A nach B. Zudem gab es eine kleine, aber bereits gut funktionierende zivile Luftfahrtbranche, ergänzt durch Interkontinental-Services per Zeppelin. An deren kurzen Vormachtstellung kratzten die neuen Passagierflugzeuge natürlich kräftig.
Trotzdem: Ich bin mir nicht ganz sicher, ob der in der Berichterstattung fühlbare Unterschied in der Grundhaltung nur aus Konkurrenzdenken zu erklären ist, die Produkte der US-Flugindustrie also generell als „Marktgegner“ thematisiert wurden, oder ob sich darin nicht eher eine generell skeptische Fokussierung zeigt, wenn es um Technik und Innovation geht. Heute ist das einwandfrei so, aber auch schon 1935?
Britischer Mark-IV-Panzer: 1914 ritt noch die Kavalerie über die Schlachtfelder. 1918 schossen unter anderem 5000 alliierte Panzer Deutschland und Österreich in die Kapitulation. Copyright: Imperial War Museum
…hatte ich meinen Artikel, der heute bei Einestages erschienen ist, eigentlich genannt. Bei der Bearbeitung ist dieser „weiche“ Aspekt ein wenig rausgefallen, geblieben ist die Auflistung des nackten Irrsinns. Dass der Erste Weltkrieg ein solches Trauma war, das letztlich bis heute nachwirkt, ist kaum noch verwunderlich, wenn man das so liest. Knapp 40 Jahre zuvor hatten deutsche Kanonen noch Angst und Schrecken verbreitet, weil sie 4 Kilometer weit reichten – jetzt schossen sie bis zu 130 Kilometer weit, und die dicksten Dinger darunter verballerten Granaten von mehr 1000 Kilogramm Gewicht.
Kein Wunder, dass Technologie und Fortschritt danach nicht mehr optimistisch-positiv konnotiert, sondern mit Angst und Misstrauen verbunden wurden. Wenn man sich den grundsätzlichen Fortschritts-Skeptizismus in diesem Land so ansieht, hat das die Mentalität offenbar für Generationen geprägt.