My Playlist XXIX: Fink

Fink ist eine Gruppe, die ich gern beim Schreiben höre: Die Musik ist tief und inspirierend, funktioniert aber auch leise, wenn ich mich selbst nicht ablenken will. Heute fiel mir auf, dass

a) mein Lieblingsalbum Perfect Darkness gerade sage und schreibe schon 10 Jahre alt geworden ist und

b) Fink noch in dieser Woche ein neues Album auf den Markt bringen werden: eine Art neu eingespieltes Best Of, dem sie den Titel „IIUII“ gegeben haben – „it isn’t until it is“.

Rein vom Typografischen her gedacht ist das der Stoff, aus dem die T-Shirts sind. Aber Spaß beiseite: Was ich an Fink liebe ist das Percusive: es gibt Songs, die komplett ohne Chords auskommen, in denen die Rythmusgitarre reduziert ist auf das Hammering einzelner Lautfolgen, und Sänger Finian Paul Greenall singt dagegen an. Das ist oft total relaxed und hat doch innere Spannung. Ich finde es echt schwer, davon nicht gefangen zu werden.

Live zeigt er, dass das kein Gimmick ist, sondern aus dem Gefühl heraus Stimmung macht:

„Perfect Darkness“ ist mein persönlicher Lieblingssong, weit bekannter ist allerdings das mesmerisierende „Warm Shadow“, das vielen Fans von „The Walking Dead“ im Ohr hängen blieb: Das Lied war der „End-Song“ der S3-E13-Folge „Arrow on the Doorpost“, die 2013 erstmals gezeigt wurde. Dass Fink danach als „die Gruppe, die einen Song bei Walking Dead hatten“ verbucht wurde, haben sie nicht verdient. Zum einen, weil einem ihre Musik überall begegnet, wo man sie nicht erwartet. Zum anderen, weil sie am stärksten ist, wenn sie für sich steht, man sie bewusst genießt. Man muss nicht laut sein, um Eindruck zu hinterlassen.

Kleiner Fun-Fact am Rande: Der Typ am Bass ist der Sohn von Roger Whittaker. Sachen gibt’s.

My Playlist XXVIII: Squid versus Stranglers

Vielleicht liegt das am Alter, vielleicht auch nur an der aktuellen Phase, in der Popmusik gerade steckt, aber es passiert immer seltener, dass mich eine neue Veröffentlichung sofort fängt. Bei Squid ist das anders. Ich habe nur ein paar Töne gebraucht und mein Kopf ging hoch wie bei einem Erdmännchen im Alarmzustand: Huch, dachte ich, das ist interessant!

Squid kommt zum einen dermaßen schräg angeschwappt und ist zugleich auf so eigentümliche Weise vertraut, dass mir jedes Lied ein großes Fragezeichen ins Hirn malt: „WTF“ würde man heute wohl sagen, „woher kenne ich das? Und kenne ich das wirklich?“

„GSK“ (höre oben), der erste echte Track des Debutalbums, klingt wie der junge Beck auf Amphetamin. Die im Grunde sanft schwingenden, von einem kreisenden Bass-Lauf untermalten Beats, eigentlich wie gemacht für eine chillige Nummer, halten Töne zusammen, die so krumm sind, dass sie für Stress sorgen. Dabei sind sie nur vordergründig disharmonisch: was die da ihren Instrumenten entlocken, ist ein gezielter, jazzig souveräner Bruch mit Hörgewohnheiten – immer knapp neben der Erwartung und deshalb eine Art kleiner Angriff auf unser Harmoniebedürfnis.

Wie die das machen? Mit winzigen Mitteln. Man höre nur mal darauf, was das kleine Schlagholz in den ersten 20 Sekunden des Songs veranstaltet: Auf den Teppich satter, maschinenhaft gleichförmiger Beats legt es ein asynchrones, offensichtlich analoges Klackern, das meist aber nur „falsch“ betont ist. Das ist, als säße man im Konzert neben jemandem, der immer leicht neben den Takt klatscht. Es hört sich an, als mache da jemand mit, der das nicht richtig kann. Live wäre das Gegenteil der Fall: Dermaßen konsequent „daneben“ zu liegen wäre großes Kino. Was Sekunden später auch für die Bläser und Saiteninstrumente gilt.

Das alles ist auf eigentümliche Weise neu, auch wenn es natürlich seine Wurzeln hat. Die meisten Rezensenten nennen das Postpunk, weil sich kein naheliegenderes Label aufdrängt. Ich bin da nicht so sicher, denn manches ist eher eine Art Anti-Punk: hoch artifiziell und voller Zitate.

Am deutlichsten ist noch das punkige Zitat des Gesangs: das erinnert zum Beispiel an frühe Nummern der Stranglers. Auch die wurden Ende der Siebziger mangels passender Schubladen als Punk verbucht, obwohl sie meist White-Reggae-Ska-Rock-Pop spielten – also einfach, was sie wollten.

„Peaches“ von 1977  war einer ihrer ersten großen Hits.

Stimmlich hätten die Sänger von Squid und Stranglers hier durchaus ein Duo aufmachen können, oder? Ich erkenne zwischen „GSK“ und „Peaches“ darüber hinaus jede Menge weiterer Parallelen – die Autoren „tickten“ ähnlich, spielen auf ähnliche Weise mit ihren Hörern.

Squid selbst verweisen auf jede Menge alter musikalischer Vorbilder, bis hin zur Elektronik-Urband „Neu!“, auf die auf dem Debutalbum der Band vor allem die immer wieder auftretenden Elektronik-Sequenzen verweisen, die Hintergrund und Ruhephasen liefern – die Neu!-typischen, elegischen Synthie-Teppiche sind hier aber nur beruhigende Versatzstücke vor dem nächsten Schrägton.

Insgesamt ist die Grundstimmung der ersten Squid-Scheibe „Bright Green Field“ eher düster und gebrochen, aber auf eine ironisch-witzige Weise.

Leichte Kost ist das nicht. Aber sehr, sehr cool.

My Playlist XXVII: Wow.

Marcin Patrzalek ist ein polnischer Fingerstyle-Gitarrist, hat sein erstes Album mit 14 eingespielt, seitdem Serien-Talentshowgewinner. Inzwischen 20 Jahre „alt“ macht er sein Geld regulär als Musiker, mit Touren und Alben. Was man da hört, ist kein Trick: Er spielt das alles wirklich auf einer Gitarre (abgesehen vom Schlagzeug im Hintergrund des ersten Clips), und gern auch live.

Musikalisch geht es quer durch alle Genres, gern auch klassisch und kompliziert: dann kommt er mit Symphonie-Versionen für eine Gitarre (Beethovens 5.) oder mit Bach in brutal.

Ist natürlich ein Poser, aber der darf das. Hat er sich verdient.

Irre.

My Playlist XXVI: Björk.

Elektronische Musik ist eigentlich nicht mein Ding. Die große Ausnahme ist Björk, die ich schon zu ihren punkigen Zeiten in den 80ern auf dem Radar hatte und schwer cool fand. Was sie dann allerdings nach ihrer Karriere mit den Sugarcubes vom Stapel ließ, haute mich regelrecht um: Das war komplett unerwartet, herrlich schräg und extrem kreativ.

„Debut“, 1993 erschienen, ist dabei aus persönlichen Gründen noch immer mein Lieblingsalbum, sehr dicht gefolgt vom eigentlich weit vielfältigeren, poetischen Album „Post“ (1995) – es markiert meiner Meinung nach bis heute den Höhepunkt ihres Schaffens. Klar, es waren die Alben, mit denen Björk wirklich überraschen konnte. Danach erwartete man von ihr immer Schrägeres und ihre damit einhergehende, schrill-überzogene Selbstinszenierung, alles andere hätte enttäuscht.

Dabei fasziniert sie niemals mehr, als wenn sie sich rau und brüchig zeigt – so wie in Lars von Triers düsterem Musical „Dancer in the Dark“ (2000), wo sie als Schauspielerin und Sängerin brilliert: In Cannes gewann sie die Goldene Palme mit der Rolle, dazu den Europäischen Schauspielpreis und zwei Golden Globes (für die Rolle und den besten Filmsong), bei den Oscars reichte es „nur“ für eine Nominierung für den besten Filmsong.

Hier ist er.

Der Film ist starker Tabak, aber echt sehenswert. Mir fällt kein anderes Musical ein, über das ich das sagen würde.